Todesformel
an deinen Computer lässt. Er hätte eins, zwei den Zugang zum Polizeicomputer rausgehabt. Und diesen hätte er auch unverfroren abgecheckt, so einer war Fred. In den letzten Wochen hat ihn Fred Dinge gefragt, seltsame, als wolle er ihn ausfragen. Es ging auch um polizeiliche Ermittlungen, den Wissensstand der Polizei um Mafiaorganisationen. Es war mehr als das gewisse Interesse, das Knut als Polizist ja gewohnt ist. Knut hat sogar einen Gedankenblitz lang geglaubt, Fred könnte beabsichtigen, ein krummes Ding zu drehen, oder er hole sich für jemand Dritten eine Auskunft. Er hat dies aber als lächerlich weggewischt. Doch jetzt, da er erschossen wurde, erhält dies alles einen anderen Stellenwert.
Knut tätschelt meine Hand, scheint sich ein wenig zu erholen. Ausgerechnet diese Frau Platen, die Noël und ich vor einer Woche kennengelernt haben. Er hat es dem Dornbier erklärt, es ist nicht außergewöhnlich, wenn Meret Platen in aller Frühe auf Felix’ Leiche gestoßen ist. Sie rennt andauernd und ausdauernd zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten in der Gegend herum. Sie muss gescheit sein, sie hat immerhin studiert, aber wenn eine so rennt, so fehlt ihr doch etwas. Niemand begreift, dass sie in der ›Delton Biotec‹ als Zeichnerin arbeitet, sie und ihre Schwester sind doch die Töchter der Charlotte Platen, sind reich, steinreich. Knut kennt beide nur vom Sehen und vom Hörensagen.
Dann, als Knut erläutert hat, dass Felix bei Alja Berken im Garten gearbeitet hat, hat er eben auch erwähnt, dass Noël und ich Alja häufig besuchen, dass Noël gerade in der vergangenen Woche für ein paar Tage dort in den Ferien war.
»Dabei hat sich eben herausgestellt, dass er dich von früher kennt.«
Sven Dornbier sei rot geworden und habe sich sichtlich gefreut. – Jetzt freue auch ich mich, der schöne Sven, wir haben zusammen studiert. Knut muss ganz genau erzählen.
»Sven Dornbier hat nicht gewusst, dass du meine Tochter bist. Er hat sich wiederholt, zweimal: Jennifer Benrath heißt also jetzt wieder Bach, ist die Tochter von Knut Bach und hat einen Jungen, ist hier oben auf den »Höhen« aufgewachsen, ist hier zu Hause.‹ Er hat sich entschuldigt, mit Studienkollegen habe man eigentlich nie über die Eltern geredet. Ihr hättet seit deiner Heirat keinen Kontakt mehr gehabt. Ich habe Auskunft gegeben, du habest deine Stelle in der Verwaltung längst aufgegeben, führtest deine eigene Anwaltskanzlei, hättest sogar einen Praktikanten, seiest geschieden. Zweimal hat Sven Dornbier gemeint, er habe mich bisher nie anders als in meiner Funktion bei der Polizei wahrgenommen, nicht als Vater oder Großvater. Wir sagen einander jetzt ›Du‹.«
Knut schmunzelt sogar, es tut ihm sichtlich gut, an etwas Fröhliches zu denken.
Wäre nicht der falsche Zeitpunkt, ich lachte. Ich erinnere mich sehr gut an den schönen Sven Dornbier, schon damals schien er in seine blonde Haarpracht verliebt zu sein. Er fiel auf mit seinen souverän lockeren Bewegungen, mit seinem unbändig unbeschwerten Mundwerk, war anders als die anderen. Sven fuhr während des Studiums auf dem Fahrrad durch die Stadt, überquerte jeweils rechtwinklig die Tramgeleise und behauptete, mit dem Rad mindestens doppelt so schnell vorwärts zu kommen wie mit dem Tram. Auf dem Rad hatte er immer etwas lächerlich ausgesehen, balancierend, weil er viel zu lang dazu war. Jetzt fährt er also eine ›BMW‹, setzt einen Helm auf, bindet die Haare zu einem Pferdeschwanz und ist amtierender Kommissar. Auch ich scheine da etwas nicht richtig mitbekommen zu haben. Wir gehörten zu einer Clique von Kollegen, absolvierten die letzten Semester gemeinsam. Er schien immer etwas in mich verliebt zu sein. Der Sache war nicht zu trauen, er war mir zu schön. Also nahm ich ihn von der leichten Seite, zog ihn auch etwas auf damit, Kollegen eben. Dann war ich blind verliebt in Benno. Sven wechselte die Stadt, unsere Leben waren auseinandergegangen, ohne dass mich das weiter beschäftigte. Ich weiß nicht einmal, ob er jetzt ebenfalls eine Familie hat.
Während der letzten Jahre scheine ich doch etwas abgekapselt gelebt zu haben.
Knut und ich erörtern. Es geht darum, zunächst einmal theoretisch hinzuschauen, was von diesem Tod zu halten ist.
Einfach einen Zusammenhang anzunehmen, nur weil zwei Männer, die einander kennen, in der gleichen Woche sterben, ist ein bisschen zu einfach. In der Nähe eines Bahnhofs in einer Großstadt kann jeder erschossen werden, auch wenn
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