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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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wegen Räubern. Alja habe gemeint, jeder, der davon auch nur ein Spürlein in die Augen kriege oder einatme, heule wie ein Schlosshund. Die Leute auf ›Holsten‹ halten Schlosshunde, er hat sie von Weitem gesehen, struppige große Hunde mit dreieckigen buschigen Stehohren und seltsam zerzausten, halb geringelten Schwänzen.
    Auch Alja hat heute beim Einkauf im Dorf vom Tod dieses Fred Roos gehört. Sie hat ihn überhaupt nicht gekannt.
    * * *
    Am Samstag steht Claas Ranke mit einem Blumentopf vor der Tür, zur Freude, er kommt die Decke besichtigen. Seine Großmutter in Kärnten sei stolze Besitzerin einer Zimmerlinde, er habe diese hier zufällig im Schaufenster der Blumenboutique gesehen und finde sie hübsch: Ein Stängel, daran ein paar große, weiche, leicht behaarte ganz hellgrüne Blätter und zwei wunderschöne lockere Blütentrauben aus cremeweißen Glöckchen. Die Decke sieht ausgeleuchtet so schlimm aus, wie im schlimmsten Fall zu erwarten war, braungrau gescheckt mit abblätternden Blasen, total verdorben. Claas wird sie neu streichen, dazu wird er frühestens in vier Wochen Zeit finden. Mit Ablaugen, Grundierung und Anstrich wird das gut acht Tage dauern.
    Im Internet suche ich spät noch unter Zimmerpflanzen. Wenn ich dieser Linde Sorge trage, wird sie zu einem breiten Busch, der regelmäßig einmal im Jahr blüht. Ich finde sie ausnehmend altmodisch in Farbe und Form, sie gefällt mir. Ich muss darauf achten, ihr genügend Wasser und Nährstoffe zu geben, sonst fallen die Blätter ab. Jetzt steht sie in meinem Büro auf einem Blumenschemel im Erker, da hat sie viel Licht und ich vergesse nicht, sie zu gießen.
    * * *
    Am Sonntag um elf Uhr ruft Knut an. Er entschuldigt sich mit heiserer Stimme, er wird heute nicht zur Bouillabaisse kommen. Zuerst denke ich an eine Erkältung. Nein, Felix Gamba ist tot gefunden worden, oben in seinem Bienenhaus. Knut hat es eben auf dem polizeiinternen Funk gehört. Knut befindet sich im Augenblick in seinem Büro, fährt aber jetzt gleich zurück auf die ›Höhen‹. Ein anderes Mal kommt er gern wieder zum Essen, einen lieben Gruß an Noël.
    Ich bin wie vor den Kopf gestoßen – Felix Gamba. Er arbeitete gestern in Aljas Sonnengarten. Alja hat sich gefreut. Wie weit ist er damit wohl fortgeschritten? Es muss ein Unfall geschehen sein. – Fisch lässt sich nicht unbegrenzt halten, die Suppe muss gegessen werden. Natürlich ist eine Suppe unbedeutend gegen einen Tod. Ich koche die Suppe wie vorbereitet, und Noël und ich laden Claas Ranke zum Essen ein. Es ist praktisch, einen Nachbarn zu haben.
    Ich ziehe Rock und Bluse und Stöckelschuhe an und schminke mich etwas, wir haben so selten Besuch.
    Natürlich erklären wir, warum Knut nicht kommen konnte. Felix Gamba kenne ich, seit wir nach Feldisberg auf die ›Höhen‹ gezogen sind. Er gehörte zu meiner Kindheit, ist mir vertraut. Jemand soll nicht mehr da sein, der zu mir gehört. Nicht so, dass ich jetzt traurig gewesen wäre, höchstens nachdenklich über das Leben und den Tod im Allgemeinen. Ist das normal? Er konnte doch noch gar nicht so alt sein, da er noch immer für die Gemeinde arbeitete. Dass man jene Menschen immer als alt einschätzt, die man von klein auf kennt!-Nicht normal, sondern richtig grässlich dagegen ist, auch Felix war Knuts ›Jass‹-Kollege – grotesk. Für Knut musste es schockierend sein. Glaube ich denn an Zufälle? Ich weiß überhaupt nichts Näheres.
    Claas sagt es dann nicht ganz deutlich, als Noël nicht mehr zuzuhören scheint. Er meint nachdenklich: »Das sind zwei Todesfälle in derselben Woche, zwei Männer, die einander kennen, und du sagst, der erste wurde erschossen. Die Frage ist, wurde er absichtlich, gezielt erschossen, war er gemeint, dann ist es ein Mord. Wenn es so war, dann ist ein zweiter Tod in derselben Woche zu viel.«
    Mir ist nicht zum Lachen, sonst hätte ich Claas gefragt, ob er denn nicht einen Krimi schreiben wolle.
    Kaum ist Claas weg, rufe ich Alja an. Auch sie weiß es schon. So schlimme Nachrichten verbreiten sich, du weißt nicht wie. Alja ist äußerst schweigsam, eigentlich sagt sie nichts; es geht ihr nahe. Das Begräbnis soll nächsten Donnerstag sein. Wer wohl sein Grab schaufeln wird?
    Als Nächstes hole ich meinen Terminkalender, überblicke den ungefähren Zeitplan der kommenden Woche. Das sieht sehr überladen aus. Ich überlege. Felix Gamba habe ich dann doch nicht so gut gekannt, um unbedingt zu seiner Beerdigung gehen zu wollen. Lukas

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