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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Sie lie ß den Wald hinter sich. Unten am Hang die Scheinwerfer eines Autos. Alja stoppte, wartete, trotz der gro ßen Distanz. Das Auto fuhr auf dem Feldweg von den oberen H äusern von Feldisberg weg, bog in die Hauptstra ße, zweigte gleich wieder ab, die Scheinwerfer glitten über den Hang, reichten unglaublich weit in ihre Richtung, wurden von der Hangneigung aufgefan gen. Jene Lichter da schr äg unter ihr, das war schon die Villa ›Holsten‹ , das Auto bog in die Zufahrt ein. Das eine Licht schien aus dem Waschhaus, das andere leuchtete in der Orangerie, Meret Platens Atelierfenster. Die Autoscheinwerfer erloschen beim Haupthaus. Alja fuhr jetzt wieder mit Beleuchtung durch den Feldweg, an Felix’ Bienenhaus vorbei. Die letzte Strecke durch den Wald wollte nicht enden. Endlich die Mühle. Keuchend schob sie das Rad ins Glashaus, schl ängelte sich am Kaktus vorbei zur hinteren Kellertür, sie hatte den Schlüssel. Ersch ö pft schob sie den gro ß en Riegel vor, drehte den Schl üssel doppelt. Im Spiegel entsetzte sie ihr Clownsgesicht, sie riss das Haarband weg, l öste auch das Gummiband, fuhr mit den Fingern durch den karottenrot gef ärbten Haarschopf. Was sie jetzt brauchte, war eine hei ße Dusche.
    Es war ein unadressiertes Päckchen in wasserfestem Papier. Die braunen breiten Klebebänder löste Alja über Dampf. Sie hatte es doch gewusst! Befriedigt zog sie die Plastikhü lle f ür CD-ROMs heraus, auch hier das Klebeband. Wie erwartet war darin eine ganz ordinäre CD-ROM, unbeschriftet. Alja schluckte, zog die Schultern hoch und f ü rchtete sich. Sie f ühlte sich noch immer durchfroren, holte ihren roten Wollponcho; ›Armagnac‹ oder hei ße Schokolade? Also goss sie einen Schluck ›Baileys‹ in die Milch. Sie hatte A gesagt, Hals über Kopf, es interessierte sie. Wenn die CD-ROM sich öffnen lie ß e, machte sie sich eine Kopie, br ächte sie noch heute Nacht zurück, wäre sie gleich wieder los. Wusste sie dann, was es war, konnte sie sich immer noch überlegen, ob sie überhaupt etwas damit zu tun haben wollte – reine Lust auf Abenteuer.
    Es konnte ein Virus drin sein, der bei unbefugtem Ö ffnen aktiv würde. Nun gut, ihr Computer war nicht das neuste Modell, und die Reinschriften ihrer Gartentexte war das Einzige, das ihr wichtig war, die lie ßen sich irgendwo wieder auftreiben. Einmal musste sie sich sowieso einen neuen Laptop leisten.
    Sie kopierte. Es dauert l änger, als sie gedacht hatte, da waren auch Bilder oder so, zwei volle Minuten. Sie folgte dem Messingzeiger der Standuhr auf dem Kaminsims; da kam noch etwas und noch etwas und noch etwas, fertig. Jetzt nicht abspeichern. Schon legte sie einen Rohling ein, lud, was immer es war, hinüber, lauschte auf das leise Klopfen und Rattern im Computer, l öschte die Zwischenstufe auf ihrem PC, fertig. Natürlich konnte sie nicht wissen, ob sie alles mitgekriegt hatte. Sorgf ältig wischte sie mit einem Papiertaschentuch über die fremde CD-ROM, steckte sie zurück in den Karton. Mit genau dem gleichen glatten, braunen Klebeband aus dem Supermarkt verklebte sie kunstgerecht, zuletzt rieb sie auch den Karton sauber. Es war gleich zehn Uhr. Sie f ühlte sich hundemüde, es wä re sogar f ür jemand J üngeren anstrengend gewesen. Keinesfalls wollte sie sich damit einen Schaden holen. Es wäre besser, morgen bei Tageslicht noch einmal ganz harmlos Osterkraut zu suchen. Sie war niemandem begegnet, und falls doch, hatte man hö chstens einen gro ßen durchflitzenden Schatten gesehen. Ein zweites Mal in dieser Nacht noch wäre so etwas durchaus leichtsinnig.
    Es war die Neugierde, die sie auch jetzt trieb, doch es war umsonst. Die CD-ROM lie ß sich zwar ö ffnen, aber nicht lesen. Bis fast um Mitternacht suchte sie im Benutzerhandbuch nach brauchbaren Anweisungen, fand sogar die An leitung, wie Codes mehrfach verschl üsselt werden können und wie ein einfacher Code zu knacken war, doch sie gab es auf, das würde sie nie begreifen. Frustriert steckte sie ihre Kopie in einen festen gelben Briefumschlag.
    Der beste Aufbewahrungsort f ür eine CD-ROM, die nicht bei ihr sein sollte, war der ger äumige Boden auf der Tenne, ihre Rumpelkammer. Das Nieseln hatte jetzt aufgehö rt, ein gro ßer Sternenhimmel wölbte sich ü ber den ›H öhen‹ . Die Nacht war kalt. Alja machte Licht, kletterte die Leiter hoch, musste in der hintersten dunklen Ecke die Taschenlampe benutzen. Hier, diese breite Spalte zwischen zwei Balken des Dachstocks war

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