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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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›ausgetreten‹. Was für ein Blödmann hatte hier gepfuscht? Man stelle sich vor, dies wäre jetzt ein Jahr lang falsch stehengeblieben. Nach seiner Rückkehr hätte man es irgendeinmal bemerkt. Die ganzen Rentenansprüche könnten verloren gehen. Derartiges gehört einfach zu diesen Computern, es musste nicht einmal absichtlich gedrückt werden. Glücklich hatte Raven auf ›Sabbatical‹ umgebucht.
    Sie hatten noch ein wenig weitergeplaudert: K heißt kleine Forschungsabteilung, da geht es um Grundlagenforschung. Yorge Droz war am Freitag vor Palmsonntag bis 14 Uhr in seinem Büro in der Forschungsabteilung, das ergaben die Stempelkarten. Das ›etwas vorgezogen‹ kam von einem internen Mail der Personalabteilung. Das W eitere hatte Raven in der Kantine gehört. Yorge Droz bereist Mittel- und Südamerika, sei nach Los Angeles gestartet. Das Forschungsprojekt, an dem er persönlich am meisten gearbeitet hat, ist so weit abgeschlossen, dass Teile davon schon in die Testreihen gegangen sind. Die Firma erwartet sich davon bahnbrechende neue Medikamente. Als Sven nach Namen fragte, wurde Raven misstrauisch, zurückhaltend – warum interessiert ihn Yorge Droz? Seine Untersuchung beschränke sich doch auf den erschossenen Sicherheitsbeauftragten, Fred Roos. Schon klingelte Ravens Telefon. Die Personalabteilung hatte in der Zwischenzeit auf dem Amt eine Rückfrage getätigt. Das Dossier Fred Roos sei abgeschlossen. Warum ist Kommissar Dornbier überhaupt noch einmal hergekommen?
    Sven hat sich etwas rasch und holprig verabschiedet. Dass er die Daten von Yorge Droz auf seinem Notebook hatte, war nur so lange beunruhigend, bis er damit unbehelligt die Ausgangsschleuse passiert hatte.
    »Nur rasch noch dies«, der Stolz liegt in Svens Stimme: »Die Hand, die Frau Meret Platen nach ihrer Aussage auf ›Holsten‹ gefunden hat, ist eben die rechte Hand des Yorge Droz. Es ist wahrscheinlich, dass dieser tot ist. Wahrscheinlicher, als dass man annehmen müsste, sie wurde einem Lebenden abgeschnitten, der jetzt irgendwo auf der Welt eine Auszeit nimmt, wobei das nicht einmal Südamerika sein muss. Wie auch immer, wenn wir vom ›Normalfall‹ ausgehen, fehlt zu dieser Hand die dazugehörende Leiche. Du sagst, Frau Platen verhält sich kooperativ. Ich bin mir dessen nicht so sicher. Sie gibt sich so. Sie kann ihren Liebhaber durchaus umgebracht haben. Auf jeden Fall lügt sie, das sagt mir mein Gefühl.«
    Ich sage nicht, da wärst du der erste Mann, der einer Frau wie Meret Platen das Lügen anspüren könnte, die kontrolliert doch sogar ihre Aura. Ich sage bloß: »Vielleicht lügt sie, vielleicht auch nicht. Normalerweise schätzen Männer Frauen ganz falsch ein. Manchmal scheint jemand zu lügen, wenn er über etwas anderes schweigt.«
    Wir verabschieden uns friedlich. Sven geht die paar Schritte neben mir durch sein langes Zimmer, erkundigt sich, die Türfalle in der Hand: »Etwas ist mir noch nicht ganz klar. Erst findest du die Hand. In diesem Moment hast du Frau Platen erst einmal gesehen. Es ist richtig, dass du sie kaum gekannt hast?«
    Mir wird plötzlich sehr leicht, fast lächle ich: »Keine Sorge, das ist die Wahrheit, ich kenne sie nicht gut. Ich habe sie heute das zweite Mal in meinem Leben gesehen. Alja Berken ist meine beste Freundin, mütterliche Freundin. Sie sind Nachbarn. Alja hat Meret Platen irgendwie unter ihre Fittiche genommen, das ist so ihre Art, ein Beschützerimpuls. Deswegen hat sie mich heute Morgen fast erpresst, dieses Mandat zu übernehmen. Du kannst ruhig sein, Frau Platen geht mich nichts an.« Dann bin ich draußen und jetzt renne ich.
    * * *
    Abends um sechs Uhr schließe ich aufatmend die Kanzlei hinter mir ab. Ich fühle mich etwas steif.
    Moshe spurtet voll Energie durch Kanzlei, Treppenhaus und Wohnung, springt aufs Sofa, kreist schon wieder um mich, bekleckert mein Jackett mit Speichel, wirft mich beinah um, er ist irgendwie gewachsen, ich bin müde. Noël sitzt still in seinem Zimmer an seinem Tisch und malt; eigentlich sollte er Zahlen schönschreiben, eine ganze Heftseite schöne Dreien.
    Nachts arbeite ich bis Mitternacht, morgen läuft die Frist aus für die Rechtsschrift Zeiler. Im Badezimmer ist die Spülung aus dem oberen Stock sehr gut zu hören. Noël war heute Nachmittag oben zu Besuch, ich werde mich bedanken. Claas Ranke – ist das typisch für einen Schriftsteller? Man hört und sieht tagelang nichts, er wollte doch einmal die Decke neu streichen.
    Es lässt mir keine

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