Todesformel
Schmerzen bewegen. Da sind irgendwelche Bänder überdehnt.
Arzt, Polizei, Krankenauto. Meret Platen erhält Sauerstoff, kommt zu sich. Sie muss zur Kontrolle ins Krankenhaus gebracht werden.
Jetzt ist erst halb zwei Uhr nachts. Ich habe ein Kind, einen Hund, ich muss so rasch es geht wieder nach Hause fahren. Sven betritt mit zwei Polizisten die Orangerie, irgendwo muss es ein Leck geben.
Wie ich die Zufahrt hinunterfahre, biegt ein dunkler Sportwagen durchs Tor, Halogenscheinwerfer blenden, ein ›Mercedes‹-Stern funkelt. Ich halte den ›Jeep‹ ganz rechts, Vorsicht, irgendwelche Zweige scheuern an der Karosserie. Am Steuer des ›Mercedes‹ erkenne ich Chantal Platen-Alt, die toupierte Frisur und die schräg stehenden Augen der amerikanischen Präsidentengattin, dunkelgeschminkter Mund. Ich bin mir nicht ganz sicher, sie scheint allein zu sein.
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AUS ALJAS GARTEN: Weiteres zum Kompost: Zunächst ist der Boden zu ebnen, Gras ist abzutragen. Nach diesem nassen Frühling ist eine dünne Grundschicht von grobkörnigem Sand anzuraten. Darüber wird die Grundlage ausgelegt, eine mindestens fünfzehn Zentimeter dicke Schicht aus kurz geschnittenen Aststücken (zehn Zentimeter lang) (vom Frühjahrsschnitt der Rosen und Büsche). Darauf kommt eine etwa gleich dicke Schicht des nassen Kompostes, darüber Garten- und Küchenabfälle, darüber werden ein paar Löffel stickstoffhaltiger tierischer Dünger und Steinmehl gestreut (Horn-, Blut- und Knochenmehl aus Bio-Zucht, Achtung BSE). Jetzt folgt wieder eine dicke Schicht aus kurz geschnittenen Aststückchen, darüber nasser Kompost und so fort.
Am nächsten Morgen schmerzt mein Handgelenk höllisch, doch ich habe heute unmöglich Zeit für einen Arztbesuch. Ich schlucke eine weitere Schmerztablette, lege einen kühlenden Salbenverband auf, bandagiere kunstvoll einen Fixverband. Ich darf die Hand bloß nicht bewegen, sonst schießt der Schmerz bis in den Ellenbogen, das macht mich gehässig. Es ist mühsam, linkshändig den Computer zu bedienen, das dauert dreimal so lang. Unbeholfen suche ich die einzelnen Tasten, eine Rechtsschrift muss heute Morgen gleich weg. Lukas muss das Kuvert persönlich aufs Amtsgericht bringen und dort die Quittung abwarten mit der Angabe von Datum und Uhrzeit; das ist heute einfach so, auf die Post ist kein Verlass.
Ein Anruf vom Untersuchungsrichteramt, das Protokoll von gestern Nacht ist zu unterschreiben. Ich bin nicht fahrtauglich, nehme ein Taxi, bitte den Fahrer, in einer Viertelstunde wieder hier zu sein. Im Amt treffe ich nur auf den Sekretär.
Auf der Notfallstation hat man bei Frau Meret Platen eine hohe, jedoch nicht tödliche Konzentration von Schlafmitteln festgestellt, nebst Spuren von Monodioxid, dieses hätte zu einer tödlichen Rauchgasvergiftung führen können. In der Übergangszeit beheizt Frau Platen die Orangerie mit einem Schwedenofen, der grundsätzlich keine Gase abgeben sollte. Er wird noch weiter untersucht, denn eine der Abzugsklappen war falsch eingestellt. Sie wurde manipuliert, doch lässt sich hier Absicht kaum von Fahrlässigkeit unterscheiden.
Frau Platen bestreitet, den Ofen an diesem Abend überhaupt eingeheizt oder irgendeinmal im Lauf des Tages Tabletten geschluckt zu haben, weder auf dem Kommissariat noch zu Hause. In ihrem Geschirrspüler in der Orangerie stand eine einzelne Tasse, die jedoch schon ausgespült hineingestellt wurde. Auch daran kann sie sich nicht erinnern. Die Maschine wird jeweils von Frau Da Silva ausgeräumt. Sie selbst stellt keine ausgespülte einzelne Tasse in einen Geschirrspüler oder legt sich halb ausgekleidet ins Bett! Hätte sie an ihrer Haustür und ihrem Schlafzimmer die Innenverriegelung aktiviert gehabt, wäre jede Hilfe zu spät gekommen. Frau Platen versteht nicht, weshalb sie bei nur verschlossener, nicht aber verriegelter Türe im Bett lag.
Ich unterschreibe das Protokoll. Dann steige ich ins wartende Taxi, ich bewege mich zu umständlich, der Fahrer schließt die Tür zu rasch, sie schlägt an meine Hand. Er entschuldigt sich, doch er hätte den Verband sehen können. Ich könnte schreien, was ich natürlich nicht tue. Ich schweige auf seine Entschuldigung und er erhält kein Trinkgeld.
Elf Uhr. Erst jetzt kann ich telefonieren, zunächst mit der Politikerin Frau Chantal Platen-Alt. Sie redet, wie Politiker eben reden, eine säuselnde Stimme im Hörer, unpersönlich, nicht fassbar, das Surren eines Insekts: Hier in Hochdorf ist alles wieder in Ordnung.
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