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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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Frau Platen-Alt hat ihrerseits schon im Spital und auf dem Richteramt angerufen, um sich zu informieren. Sie geht davon aus, dass ihre Schwester ein starkes Beruhigungsmittel eingenommen hat. »Sie benimmt sich ab und zu eigenartig, unkontrolliert, man könnte sagen, eines Tages musste so etwas geschehen. Möglicherweise war ihr kalt und sie wollte heizen.« Frau Platen-Alt legt einen leicht öligen Frageton in ihre Vorbehalte, wohlmeinend hinterhältig liegt etwas ganz anderes darin, ein Tadel, eine Unterstellung. »Es war einfach ein großes Glück, dass Frau Dr. Bach und Herr Kommissar Dr. Dornbier zur Stelle waren.« Der Ton ist sehr von oben herab, ich meine am Telefon zu wissen, wie eng sich ihre Nasenflügel anlegen. Wie komme ich dazu, mich ›Anwältin‹ ihrer Schwester zu nennen? Die Vertrauenskanzlei ihrer Familie ist immer schon ›Attland & Partner‹ gewesen.
    So konnte man vielleicht noch vor fünfzig Jahren mit Dienstboten reden, oder tun die das heute noch so? Ich mag Frau Chantal Platen-Alt definitiv nicht, Politikerin hin oder her, bei der Ausübung ihres Amtes wird sie niemals in diesen Ton verfallen. Ich weiß nicht, woher ich es kann, du ziehst ein Schafsgesicht, das zieht die Nase zusammen, gibt der Stimme diesen blasiert nasalen Klang: »Ihr Verhältnis zu Ihrer Schwester ist uns nicht bekannt.« Ich sage ›uns‹. »In der Regel geben wir an Außenstehende keinerlei Auskunft über unsere Rechtsfälle und natürlich äußern wir uns nicht zu irgendetwas, was unsere Klienten betrifft. Das halten wir selbstverständlich auch bei nahen Verwandten so, Schwestern oder Schwägern, was Sie ja sicher unterstützen. Wenn also irgendetwas unklar ist, fragen Sie Ihre Schwester direkt.«
    * * *
    Bis Mittag habe ich nichts von Sven gehört. Am Nachmittag rufe ich ihn privat an, wie schon gestern Nacht. Als er abhebt, als ich seine Stimme höre, bin ich erleichtert. Doch er ist ruppig, das hat mir ja gerade gefehlt. Sind wir nicht vor knapp zwölf Stunden ein Dream-Team gewesen? Was interpretiere ich jetzt in diese Nachtfahrt, nur weil ich etwas unter Druck stand? Ich meine geradezu Dorothys warnende Stimme zu hören, natürlich verwechsele ich nicht den erhöhten Adrenalinspiegel einer rassigen Autofahrt mit dem Herzklopfen einer intimen Zweisamkeit. Fest steht jedenfalls, wir haben in einer gemeinsamen Hauruck-Aktion meiner Klientin das Leben gerettet. Das ist doch nicht nichts? Ach so, er kann mir keine Auskunft geben, da ich Parteienvertreterin bin? Was ist jetzt wieder los!
    Ich könnte es so stehen lassen, schulterzuckend abhaken – wer ist er denn – ein Mann, zu schön, um wahr zu sein. Es gehört zu den Grundlagen des Berufsalltags: Freundschaften sind keinesfalls mit beruflichen Kontakten zu vermischen und ich würde mich hüten, zu einem Kollegen eine Beziehung welcher Art auch immer aufzunehmen, von vornherein und überhaupt. – Cui bono, wem nützt es? Also nicht so schnell. Also kann er mich nicht enttäuschen.
    Sven lässt sich immerhin zu einem Arbeitsgespräch überreden, einem Informationsaustausch.
    Wir treffen uns in einem nahe liegenden Pub. Da sei Mitte Nachmittag immer ein Tisch frei.
    Sven trägt seinen schwarzledernen Motorradanzug, darunter offensichtlich nicht viel, seine Augen sind entzündet, er ist unrasiert und ungenießbar, anscheinend hat auch er Rauchgas abgekriegt. Seine Haare sind strähnig, wie immer dieser Pferdeschwanz. Er lümmelt sich an meinen Tisch. Der Kellner grüßt ihn mit: »Der Herr Kommissar Dornbier!«
    Was er gestern zu bestätigen schien, wirft er heute um. Als wäre ich begriffsstutzig, doziert er, was ich heute Morgen im Protokoll unterschrieben habe, spricht überdeutlich, langsam. Wäre nicht die antiautoritäre Dorothy meine Mam, er risse an meinen Nerven. So bin ich unbelastet, schaue ihm einfach zu.
    Dann scheint er aber doch weitergekommen zu sein. »Etwas verschweigt deine Klientin, viel verschweigt sie, da muss ich mich natürlich fragen, warum und was. Sie kann sich nicht erinnern, wann sie Droz das letzte Mal gesehen hat, und vermisst habe sie ihn nicht, was sie aber hätte tun sollen. Immerhin ist ihr aufgefallen, dass er ›abrupt‹ wegblieb. So hat sie es benannt, abgebrochen. Irgendetwas stimmt nicht im Zusammenhang mit Serien von Zeichnungen, die wichtig zu sein scheinen. Aus einem bestimmten Grund muss ein Zeitdruck bestanden haben. Der Forschungsleiter Yorge Droz drängte zwar immer auf rasche Ausführung, auch war er hie und da

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