Todesformel
mache mir Gedanken zu dieser hässlichen Hand, es ist kein einfacher Fall. Irgendwo läuft ein Mörder frei herum. Jetzt habe ich das Gefühl, diese Frau Platen versucht, mich wegzuschieben. Ich habe sie anders eingeschätzt, gediegen.«
Wir reden hin und her. »Ich fühle mich für sie verantwortlich, verrückt, nicht wahr. Sie ist in Gefahr. Sie mag lügen, es ist offensichtlich, dass sie lügt. Doch das heißt noch lange nicht, dass sie ihren Liebhaber umgebracht hat; den Liebhaber nicht und Fred Roos gerade noch einmal nicht. Alja sagt, Meret Platen würde niemals töten.« Ich hebe die Stimme: »Sven soll jetzt den richtigen Täter so rasch wie möglich finden, hast du gehört, Sven!« Sven schaut nicht hoch, scheint die Gabe zu besitzen, auszublenden, was ihn stören könnte.
Knut hustet schon wieder, trinkt Bier, der Husten lässt nach. Er fasst zusammen, was er von Sven gehört hat. Das Material, das die Kollegen von Straßburg prompt zugeschickt haben, hat doch etwas Neues enthalten: Fred Roos war ja anhand seines Autos identifiziert worden, man war von einem Raubmord ausgegangen, da Brieftasche und Ausweise fehlten. Jetzt hat man nachträglich in einem Fach zwischen den Sitzen eine Pistole und eine Identitätskarte gefunden, Freds Foto, die Identität eines Engländers, eine ausgezeichnete Fälschung. Ein Zufall, dass er schon als Fred Roos identifiziert war. Es muss der falsche Zeitpunkt gewesen sein oder es war nicht sauber durchdacht: Den echten Pass, die echte Identitätskarte sowie den echten Fahrausweis hat Sven jetzt in der verschlossenen Schublade des Schreibpults gefunden. Fred Roos selbst muss sie dort zurückgelassen haben. Wäre er ohne Auto und mit nur dieser Identität erschossen worden, hätte man die Leiche einer Engländers verbrannt, Fred Roos wäre einfach verschwunden. Das ist schon seltsam. Im offenen Kamin seiner Wohnung fanden sich Reste von geschreddertem verbranntem Papier, eine extreme Vorsichtsmaßnahme. Was war da von wem vernichtet worden?
Wir überlegen hin und her. Was hat Fred Roos am Ostermontagmorgen in Straßburg gewollt? Wie kann einem ausgebildeten Sicherheitsfachmann in einem Parkhaus in seinem Auto in den Hinterkopf geschossen werden?
Ich sollte mich auf den Rückweg machen. Claas hat versprochen, bis zehn Uhr in unserer Wohnung zu bleiben. Endlich hat Sven Zeit für ein Bier. Auf fünf Minuten kann es nicht ankommen. Ich setze mich zu Knut und Sven ins Wohnzimmer, bin auf Svens Blitzrapport seiner Laptop-Recherche gespannt.
Sven sieht müde aus, rot geäderte Augen, geschwollene Lider, scharfe Falten von der Nase zu den Mundwinkeln. Wir werden älter, er trinkt zu wenig. Wenn er um fünf Uhr aufgestanden ist und bis Mittag durchgearbeitet hat, so liegt sein Arbeitstag bei sechzehn Stunden, ein echter Kommissar, suchend, witternd wie ein Spürhund.
»Dieser Fred Roos erhält allmählich ein einschlägiges Persönlichkeitsprofil: Waffenfreak, Mitglied in einem Boxclub. Er las die einschlägigen Internetseiten und beobachtete entsprechende Chat-Groups. Er informierte sich ausgiebig über asiatische Kampfsportarten, Sicherheitstechnik und Sicherheitssysteme. Er surfte immer um die gleiche Zeit, gezielt. Möglicherweise steckte ein Auftrag dahinter. Während der letzten Wochen hat er sich einen Überblick über mafiose Organisationen verschafft. In seiner Suchmaschine erscheinen Wörter wie ›Peiler‹, ›Killer‹, ›Auftragskiller‹, ›Auftragsmord‹, ein ungemütlicher Zeitgenosse.«
Ich beobachte Knut, der mit leicht zusammengekniffenen Augen gespannt zuhört.
»Übrigens, Jennifer, das denkst du nicht: Ein Auftragsmord ist echt billig und einfach zu bestellen. Das lässt sich völlig anonym abwickeln, von A bis Z. Im Prinzip genügen Foto, Datum und Uhrzeit, wann der Betreffende wo ist. Für ein paar T ausend Euro kannst du einen x-Beliebigen umbringen lassen. Leute, die bewacht sind, kommen je nach Aufwand teurer. Auf einer von Fred Roos benutzten Seite findet sich das Angebot eines Geräts, ähnlich einer Pistole, damit lässt sich ein Herzstillstand auslösen. Anscheinend stammt es aus Tschechien. Fred Roos hat sich dann über weitere Modelle informiert. Ihn interessierte auch die Reichweite.«
Ich kriege eine Gänsehaut, was für ein Beruf, warum muss ich Auftragsmorde zur Kenntnis nehmen? Wo leben wir denn, wenn mein Nachbar in diesen Kategorien denkt? Für ein paar T ausend Euro und weggepustet. Knut hat schon davon gehört, doch er hatte gemeint,
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