Todesformel
Nische, da kommt niemand nach, er ist allein. Ist es möglich, dass er hinter mir her spioniert?
Es gibt Zufälle, doch das kann kein Zufall sein, dazu ist die Stadt zu groß. Ein Kommissar steigt an einem Sonntag allein aufs Münster, und vor ihm klettert ausgerechnet die Anwältin einer von ihm eines Mordes Verdächtigten. Meine gute Laune ist futsch, rein zufällig sind wir Kollegen. Mir ist endgültig jede Lust vergangen, ich muss niemandem etwas beweisen, zum Beispiel, wie sportlich ich bin. Außer Atem komme ich oben an, Touristen, Eltern mit Kindern, ein Großvater mit seinem Enkel. Von Sven sehe ich keine Spur. Ich steige eine letzte Treppe hoch, hole Claas und Noël wieder ein. Claas hat einen Feldstecher bei sich, abwechselnd können wir durchgucken. Noël guckt, ich bin verstummt. Claas erklärt fließend für einen, der die Stadt noch nicht kennt. Misstraue ich jetzt allen und jedem?
Von Sven Dornbier entdecke ich hier oben keine Spur, hier ist doch keiner mit auch nur einer entfernten Ähnlichkeit?!
Am Abend begrüßt Noël Knut stürmisch mit der Frage: »Sven oder Claas, rate, wer mit uns auf das Münster gestiegen ist?« Ich halte den Atem an, bin gespannt, was jetzt kommt.
»Claas ist es gewesen.«
Natürlich.
* * *
Uschi ruft an und fragt, ob ich heute oder spätestens morgen im ›Halbmond‹ hereinschauen könne. Sie hat etwas gehört, das ich wissen muss, über das sie aber nicht am Telefon spricht.
Claas frage ich, ob Noël bei ihm hereinschauen darf. Offensichtlich will er mich viel lieber endlich einmal in meine ›Heimat‹ begleiten. Ich komme auf Knut zurück, Knut hat versprochen, mit Noël einen Vogelkasten zu bauen, einen für große Vögel oder Eichhörnchen. Kurz vor sechs fahre ich mit Claas in die ›Höhen‹.
Wie wir die Gaststube betreten, kommt Uschi uns schon entgegen, sieht kess aus mit einem frisch geschnittenen schwarz glänzenden Haarschopf. Unverhohlen begutachtet sie Claas von oben bis unten, meint eher laut: »Hallo Jenny, von deinen Begleitern ist einer hübscher als der andere, sag mir nicht, der gehöre auch zum Gericht, eher sieht er aus wie ein Journalist.« Ich fühle, wie meine Wangen warm werden; will sie mich ein klein wenig bloßstellen?
»Die Partnerin meines Vaters, sie ist die Wirtin hier«, das ›und hat das entsprechende Mundwerk‹ schlucke ich. Ich stelle Claas Ranke als Schriftsteller vor. Uschi meint kokett und macht dazu Unschuldsaugen: »Sagt’ ich’s doch, Künstler, ich habe leider nicht so viel Zeit, Bücher zu lesen.«
Wir bestellen eine Quiche mit Frühlingssalat, dazu Hauswein. Uschi setzt sich zu uns an den Tisch, trinkt ein Glas mit. Ihre Geschichte ist denn auch seltsam. Laura, Uschis Kusine, wohnt drei Dörfer weiter und arbeitet als Putzfrau im Golfclub ›Blauen‹, hier im Hinterland eine Möglichkeit einer gut geregelten Teilzeitarbeit. Laura hat eine wirklich verrückte Szene beobachtet und sie hat sie Uschi erzählt, weil dieser Direktor Platen-Alt hier in Hochberg eine Villa besitzt und weil er anschließend ätzend zu ihr war. Uschi solle es Knut erzählen, immerhin ist Knut bei der Polizei und Laura geht keinesfalls zur Polizei, sie hat ihre Gründe dazu, zudem will sie ihre Stelle behalten. Knut solle ›es‹ dem zuständigen Kommissar weitererzählen, ohne zu sagen, von wem er es hat. Laura hat natürlich nicht gewusst, dass ich die Anwältin dieser Meret Platen bin. Doch gerade deswegen müsse ich es auch wissen. Dieser Kommissar könnte es mir gar nicht oder zu spät sagen. Wenn hier oben in den ›Höhen‹ ein Mörder herumläuft, so könnte das zusammengehören.
Die Geschichte ist folgende: Laura war auf Arbeit und wischte die Galerie des Clubhauses.
Die Galerie verbindet oberhalb eines Geräteraums die Herrengarderobe mit dem Duschraum. Unvermutet stand hinter Laura einer der Gäste, er trug den üblichen weißen Duschmantel, eine getönte Brille, er hatte auch noch das Club-Duschkäppi auf. Im Nachhinein ist Laura sich sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. Er meinte, er möchte sich hier mit einem weiteren Clubmitglied ungestört unterhalten. Sie solle sich doch ein halbe Stunde verziehen, und er hat ihr einen Fünfziger zugesteckt, fünfzig Euro. Natürlich hat sie sich durch die Garderobe zurückgezogen.
Hinter der Bretterwand der Galerie liegt die Damengarderobe, auf jeden Fall tiefer als die Galerie. Die Kleiderkästchen sind an dieser Wand befestigt. Laura ist auch schon auf eine Bockleiter
Weitere Kostenlose Bücher