Todesformel
so etwas koste ein Mehrfaches, vielleicht dreißigtausend. Von diesen Pistolen war doch im Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod eines Politikers zu lesen.«
Bei dem Einkommen, das Fred Roos versteuert hat, wären ein paar T ausend Euro zu wenig gewesen, dass er auch nur einen Finger gekrümmt hätte. Also wollte er denn Auftraggeber sein? Suchte er einen Killer anzuwerben? Den Gedanken an Felix’ Tod schiebe ich weg.
Sven ist in diesem Laptop auf die Adresse eines Geschäfts gestoßen, in dem Peiler über den Ladentisch verkauft werden. Wozu brauchte Fred Roos einen Peiler? Ohne Partner geht bei Peilern gar nichts.
Zum Abschied erhalte ich von Sven ein kameradschaftliches Bussi auf die Wange. Das hat er noch nie getan, doch es ist mir zu salopp, ich verdrehe etwas die Augen – weniger als ein Flirt.
* * *
Zu Hause sitzt Claas in meinen weichen Clubsessel gefläzt – amerikanische Sitzweise, den rechten Fußknöchel auf dem linken Knie, da lässt sich ein Schreibblock praktisch aufs rechte Knie legen –, ein Schriftsteller, der wirklich noch von Hand zu schreiben scheint. Ich frage nicht einmal, was er Schönes schreibt. Ich hatte ihn nicht mehr hier erwartet, ich hatte mich auf Müdigkeit und Alleinsein eingestellt. Ich frage nach Noëls Abend, ob alles gut gegangen ist. Mir ist zum Heulen. Claas schaut mit treuem Hundeblick, legt mir freundschaftlich den Arm um die Schulter, fast möchte ich mich hineinschmiegen, er riecht schwach nach Nelken und Leder, es könnte mein Lieblingsduft sein.
»Du gehörst ins Bett, Jennifer Bach. Ich kriege ja nicht alles mit, doch du solltest nicht so hart arbeiten müssen. Wenn du einmal eine Schulter brauchst, wenn du die leiseste Lust hast, dich anzulehnen, dann sag es ruhig. Ich wärme dir jetzt eine Tasse Milch mit Honig, dann schläfst du gut.«
Unaufdringlich und lieb, anständig – das gibt es doch nicht.
Aufrichtigerweise muss ich ihm sagen, dass ich dank ihm den Abend verplaudert habe. Sven Dornbier scheint sich in den Fall zu verbeißen, Hauptsache, er verdächtigt meine Mandantin nicht. Claas versteht, dass ich über die Details schweige.
* * *
Zu meiner Überraschung geben Knut und Sven ein brauchbares Team ab, besser als Sven und ich, weil Knut so viel Erfahrung hat, besser als ich und Knut, weil Knut es irgendwie vermeidet, bestimmte Punkte dieser Angelegenheit mit mir zu besprechen.
Doch der Gedankenaustausch mit Knut hinterlässt bei Sven ab und zu ein mulmiges Gefühl, er klagt es mir leicht keuchend auf seinem Fahrrad strampelnd, wir treffen uns wieder im Fitnessstudio. Er darf Knut gegenüber nicht naiv sein, nur weil er ihn sympathisch findet, weil er mein Vater ist und weil er ein guter Polizist ist, der angibt, die Wahrheit über den Tod seiner ›Jass‹-Kollegen wissen zu wollen. Gibt es nicht immer eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Freunden?
Knut setze alles daran, Sven zu unterstützen, er habe auch seine persönlichen Kontakte zur Bundespolizei genutzt, Sektion ›Organisiertes Verbrechen‹. An Ostern, also nach Fred Roos’ Tod, ist einer der internationalen Killer in Frankfurt eingetroffen, wo er spurlos wieder verschwand. Ein möglicher Mittelsmann hat vergeblich auf die Instruktionen eines Auftraggebers gewartet. Dies könnte Fred Roos gewesen sein.
Sven liebt es, mit Knut zu fachsimpeln. »Er hat einen großen Erfahrungshorizont, wir ergänzen uns bestens, schaukeln einander hoch. Es ist kein Computer- und kein Indianerspiel, es ist real. Irgendwo gibt es Menschen, die aus einem bestimmten Grund gerade hier und jetzt über Leichen gehen. Fest steht, dass eine Charlotte Platen, Respekts- und Leitfigur der Region, jahrelang einen Menschen wie Fred Roos in ihrer Nähe hatte. Wozu brauchte sie einen so harten Mann?«
Ich überlege: »Alja hat sie früher einige Male getroffen, sie redet mit Respekt von ihr. Etwas scheint Alja genau jetzt aus dem Gleichgewicht zu bringen.«
Knut ist so was von verlässlich, abends nach Dienstschluss schaut er neuerdings regelmäßig bei uns herein, wir rechnen geradezu mit seinem Kommen, eine kurze Plauderviertelstunde. Natürlich steht Noël im Vordergrund, wie geht’s, wie steht’s? Es kommt weniger auf den Inhalt an als auf das Hin und Her der Worte. Ich höre auf Knuts Stimme, höre weiche Untertöne, fühle mich geborgen. Ich will so gern den Kopf in den Sand stecken.
* * *
Noël steigt mit Moshe täglich die Treppe hoch, klingelt und erkundigt sich, wann Claas denn eine Pause
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