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Todesfracht

Titel: Todesfracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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betete sie, dass – sobald die Tür geschlossen war – das Schiff noch lange genug schwimmfähig blieb, bis ein anderes vorbeikäme.
    Kalt und fröstelnd kehrte Tory nach oben zum zweiten Deck zurück und tappte zu ihrer Kabine. Sie trocknete sich im Bad ab, raffte ihr schulterlanges Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog ihre wärmsten Kleider an. Die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Sie hatte es nicht bemerkt, aber irgendwo im Maschinenraum hatte sie sich einen Schnitt am Mundwinkel zugezogen. Mit dem Handtuch wischte sie sich die wässrige Blutspur von der Unterlippe ab. Unter normalen Umständen boten ihre prägnanten Gesichtszüge einen fesselnden Anblick, vor allem in Kombination mit den leuchtend blauen Augen. Als Tory sich nun im Spiegel über dem Waschbecken betrachtete, erblickte sie jedoch den gehetzten Ausdruck von jemandem, der sich auf seinem letzten Gang zum Galgen befand.
    Sie wandte sich hastig ab und ging zum Bullauge. Sie konnte nun weder den Mond oder auch nur seinen milchigen Schein noch das Boot der Piraten oder die großen Schiffe sehen, die sie vorhin am Horizont entdeckt hatte. Die Nacht war tiefschwarz, trotzdem wollte sie ihren Platz am einzigen Fenster zur Außenwelt nicht verlassen.
    Wenn sie irgendwelche Schmiere oder einen Vorrat an Bratfett fände, könnte sie ihren Körper damit einschmieren und sich durch das Bullauge zwängen. Sie dachte, dass die Fenster in der Messe eine Etage höher ein wenig größer waren. Auf jeden Fall war es einen Versuch wert. Sie wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als etwas Dunkles draußen vorbeihuschte. Sie versuchte, etwas zu erkennen, und strengte ihre Augen so sehr an, dass sie zu tränen begannen.
    Dann glaubte sie, die Erscheinung noch einmal zu bemerken.
    Sie befand sich etwa drei Meter vom Schiff entfernt. Ein Vogel?
    Es bewegte sich zumindest genauso, aber ganz sicher war sie sich nicht. Und dann tauchte es vor dem Bullauge auf und füllte es ganz aus. Tory wich mit einem Schrei zurück. Vor ihrer Kabine verharrte ein grauer Fisch mit weit aufgerissenem Maul.
    Für einen Moment war deutlich zu erkennen, wie das Wasser durch seine Kiemen gepumpt wurde. Der riesige Seebarsch betrachtete sie mit seinen gelben Augen noch ein paar Sekunden länger, angelockt vom Licht in der Kabine, ehe er davonschwamm.
    Was Tory Ballinger von ihrer Kabine tief unten im Schiffsrumpf aus nicht sehen konnte, war, dass das Oberdeck der
Avalon
bereits überspült wurde. Wellen leckten über das Heck und die Frachtluken am Bug. In wenigen Minuten würde das Wasser bis zur Kommandobrücke steigen und sich über dem Schiff schließen, sodass sein am Heck aufgestellter Ladekran aus dem Meer ragte – wie ein knochiger Arm, der verzweifelt einen rettenden Halt sucht. Ein paar Minuten danach würde der Ozean auch den einzigen Schornstein des Forschungsschiffes verschlingen, und die
Avalon
würde den unaufhaltsamen Abstieg zum Meeresboden beginnen, mehr als drei Kilometer tief.

3
    A ls ein Paar nordkoreanischer Agenten von der brutalen State Safety & Security Agency erschien, um ihre syrischen Kunden abzuholen, lasen zwei von ihnen im Koran, während der dritte in Konstruktionspläne der Nodong-Raketen vertieft war. Einer der Wächter forderte das Trio mit einer Geste, die gleichzeitig einen ungehinderten Blick auf eine Pistole in einem Schulterhalfter gestattete, auf, ihm zu folgen. Cabrillo und Hali Kasim steckten die kleinen Gebetbücher weg, während Hanley die Pläne wieder in seinem gewichtigen Aktenkoffer verstaute und die Zahlenschlösser zudrückte. Sie folgten einem verschlungenen Weg durch die
Asia Star
, einen in Panama registrierten Schüttgutfrachter, der zum Containerschiff umgebaut worden war. Äußerlich alt und ein wenig abgenutzt wirkend, befand sich das Innere doch in einem sorgsam gepflegten Zustand: Die Schotts waren mit frischer Farbe versehen worden.
    Außerdem wirkte das Schiff bis auf die beiden Spione, die als Eskorte fungierten, leer und verlassen.
    An einem Schott unter dem Hauptdeck öffnete einer der Wächter eine Luke. Dahinter erstreckte sich eine dunkle Höhle aus Stahl, in der es schwach nach Bilgenwasser und altem Metall roch. Der Mann knipste einige Reihen Deckenlampen an, und ihr fluoreszierendes Leuchten gab den Blick auf zehn Nodong-Raketen frei, die in speziellen Gestellen ruhten und deren Umrisse von einer dicken schwarzen Abdeckplane aus Plastik verhüllt wurden. Jede Rakete war gut zwanzig Meter lang, hatte einen

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