Todesfracht
Ihres wie auch meines Landes Truppen stationiert. Aber sie wagen es nicht, mein Land anzugreifen, weil sie wissen, dass die Vergeltung schnell und tödlich erfolgen würde.«
»Und bald«, sagte Hourani mit einem öligen Grinsen, »werden sie auch unsere Vergeltung fürchten. Mit Ihrer Hilfe, natürlich.«
Kims Lächeln entsprach ganz dem des Syrers. Diese beiden Männer, durch einen halben Erdball voneinander getrennt, waren Brüder im Geiste und von einem glühenden Hass gegen alles Westliche erfüllt. Jahre der Indoktrinierung hatten sie Stück für Stück geformt, und von diesem Hass waren sie geprägt. Es machte keinen Unterschied aus, dass der eine nach den übertrieben streng ausgelegten Prinzipien einer ehrbaren Religion lebte und der andere von einem unerschütterlichen Glauben an die Unfehlbarkeit des Staates geleitet wurde. Die Folgen waren die gleichen. Sie berauschten sich an Barbarei und fanden im Chaos Inspiration.
»Wir haben Vorbereitungen getroffen, um Ihre Delegation zur Marinebasis Much’on in der Nähe von Wosan an der Ostküste zu bringen«, erklärte General Kim seinem Besucher Hasni Hourani. »Benötigen Ihre Piloten in Pjöngjang ein Quartier?«
»Das ist sehr großzügig, General.« Hourani strich sich wieder über den Schnurrbart. »Aber das Flugzeug wird in Damaskus dringend gebraucht. Einer der Piloten hat während des Fluges hierher die meiste Zeit geschlafen, daher kann er nach Syrien zurückfliegen. Wenn Sie arrangieren könnten, dass die Maschine gleich wieder aufgetankt wird, sähe ich es am liebsten, sie würden umgehend starten.«
»Wie Sie wünschen.« General Kim sprach mit einem Untergebenen, der den Befehl sofort an den Chef des Wachtrupps weiterleitete. Während Houranis beide Assistenten die letzten Gepäckstücke ausluden, erschien ein Tankwagen, und Arbeiter begannen, den Tankschlauch auszurollen.
Der Wagen, der zu ihrer Weiterfahrt bereitstand, war eine Limousine aus chinesischer Produktion mit mindestens dreihunderttausend zurückgelegten Kilometern auf dem Buckel. Die Sitze waren derart durchgesessen, dass sie den kleinwüchsigen nordkoreanischen General beinahe verschluckten, das Innere aber stank nach kaltem Zigarettenrauch und in Essig eingelegtem Kohl. Die Autobahn durch das Kumgang-Gebirge, die Pjöngjang mit Wosan verband, war eine der besten des Landes, dennoch beanspruchte sie die Federung der Limousine fast bis zum Zusammenbruch, als der Wagen sich durch die engen Serpentinen quälte und an tiefen Schluchten entlangtastete. Die Autobahn verfügte nur über wenige Leitplanken, die Scheinwerfer des Wagens leuchteten zudem nicht stärker als schwache Taschenlampen. Ohne den fahlen Schein des Mondes wäre die Fahrt unmöglich gewesen.
»Vor zwei Jahren«, erzählte Kim, während der Wagen sie höher hinauf ins Gebirge brachte, das sich wie ein Stachelkamm über die gesamte Länge des Landes erstreckte, »erteilten wir einer Firma im Süden die Erlaubnis, Touristenausflüge in dieses Gebirge zu veranstalten. Die Berge hier werden von vielen als heilig betrachtet. Wir verlangten, die Firma solle die Straßen und Wege wie auch die Restaurants und die Hotels bauen. Sie musste sogar ihre eigenen Hafenanlagen schaffen, wo dann später ihre Ausflugsschiffe anlegten. Eine Zeit lang gab es viele Leute, die die angebotene Reise buchen wollten, aber die Firma musste fünfhundert Dollar pro Passagier verlangen, um ihre Investitionen hereinzubekommen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Nostalgiker nicht allzu zahlreich waren, also brach das Geschäft sehr bald ein – vor allem nachdem wir entlang der Reiserouten Wachen aufstellten und die Touristen, so gut wir konnten, drangsalierten. Jetzt kommen keine Touristen mehr hierher, aber die Firma zahlt uns immer noch die Milliarde Dollar, die sie unserer Regierung damals garantiert hat.«
Dies rief bei Colonel Hourani, dem einzigen Syrer, der die englische Sprache beherrschte, ein Lächeln hervor.
»Das Beste an der ganzen Sache ist«, fuhr Kim fort, »dass ihr Hotel in eine Kaserne umgewandelt wurde und in ihrem Hafen eine Korvette der Najin-Klasse stationiert ist.«
Diesmal reagierte Hourani mit schallendem Gelächter.
Zwei Stunden nach Verlassen des Flugplatzes ließ die Limousine das Kumgang-Gebirge hinter sich, überquerte die Küstenebene, bog nach Norden ab und erreichte den äußeren Zaun der Marinebasis Munch’on.
Wächter salutierten, als die Limousine durchs Tor fuhr. Danach rollte der Wagen im
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