Todesfrist
danke.«
Sabine begriff kein Wort. Als er das Telefon wegsteckte, lief Kohler zu ihnen.
»Sneijder, tut mir leid, ich muss Ihnen bis zur Aufklärung des Sachverhalts Waffe, Reisepass und Dienstausweis abnehmen. Dann werde ich Sie beide aufs Revier bringen. Dort schreiben wir ein Protokoll.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.« Sneijder kniff die Augen zusammen. »Wenn Sie mich auch nur anfassen …«
»Ist nicht meine Entscheidung!«, fuhr Kohler ihn an. »Sie haben sich in eine laufende Ermittlung eingemischt, und nun haben wir eine Zeugin verloren.«
»Eine laufende Ermittlung?«, prustete Sneijder. »Das ist sie erst durch unsere Ankunft in Wien geworden.« Abfällig deutete er zu der Männergruppe hinüber. »Was unternehmen die, um Helen Berger zu finden?«
Kohler verzog verbittert das Gesicht. »Es ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Helen und dem Polizeipräsidenten. Sie zu finden ist nicht unbedingt seine erste Priorität.«
»Wenn Sie mir vertrauen, finden wir sie.«
»Ihnen vertrauen?« Kohler presste die Lippen aufeinander. »Glauben Sie mir, das würde ich gern. Aber ich kann nicht.« Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. »Für Sie ist es vorbei. Gehen wir.«
Sneijder blieb stehen. »Vergessen Sie für eine Sekunde den bürokratischen Mist, und hören Sie einfach nur zu. Ich habe eine Handypeilung von Carl Bonis Telefon veranlasst.«
Kohler bekam große Augen. Im nächsten Moment schüttelte er den Kopf. »Das ist unmöglich.«
»Okay, ich weiß, dass Ihre Telekom eine Liste mit Telefonaten nicht einmal dann an die Kripo rausrückt, wenn der Staatsanwalt einschreitet. Ihre Kollegen müssen warten, bis die Telekom das Quartal abrechnet. Aber wir arbeiten anders.«
»Wir? Hacken sich die IT-Spezialisten des Wiesbadener BKA in die Telekom?«
»Das nicht, aber der Bundesnachrichtendienst knackt jedes Programm.«
»Woher haben Sie Carls Handynummer?«
»Von einer Datenrückverfolgung. Er hat um 17.01 Uhr Helen Berger angerufen.«
»Und woher haben Sie Helens Handynummer?«
»Herrgott.« Sneijder warf die Arme in die Luft. Dann klopfte er auf die Brusttasche seines Sakkos, wo das iPhone steckte. »Auf
Helens Webseite unter ›Kontakte‹ ist ihre Telefonnummer nicht zu übersehen.«
Nun begriff Sabine. Sneijder war die ganze Zeit über nicht untätig gewesen.
»Und wann haben Sie das alles inszeniert?«
»Vor Harmanns Praxis, als wir auf den Ersatzwagen warteten.«
»Wenn ich das meinem Chef erzähle, reißt er mir den Kopf ab.«
»Godverdomme!«, schnaubte Sneijder. »Wenn Sie das Ihrem Chef erzählen, reiße ich Ihnen den Kopf ab! Interessiert Sie nun, was ich rausgefunden habe, oder wollen Sie mir weiterhin einen Vortrag über Bürokratie halten?«
Kohler zögerte. In diesem Moment fiel von der anderen Straßenseite der Lichtkegel einer Taschenlampe zu ihnen. Die Versammlung löste sich langsam auf. Oliver Brandstätter kam zu ihnen.
»Kohler, Brandstätter! Aufs Revier! Jetzt!«, brüllte der Mann im beigen Anzug.
»Der Teufel soll ihn holen«, murrte Brandstätter, als er sie erreichte.
Sabine betrachtete Kohlers Miene. Seine Wangenknochen mahlten. Wie würde er sich entscheiden?
»Ja, sofort«, rief er zurück. Dann sagte er leise zu Sneijder: »Okay, schießen Sie los.«
»Wir brauchen einen Stadtplan von Wien.«
»Gut, kommen Sie mit.«
Sie liefen zu dem schwarzen Audi, der immer noch vor der Unterführung stand. Während sich die Beamten in alle Richtungen verstreuten, stiegen sie ein.
»Was habt ihr vor?«, fragte Brandstätter.
»Was wohl? Hast du einen Stadtplan im Handschuhfach?«, fragte Kohler.
Brandstätter schüttelte fassungslos den Kopf. »Wer verwendet heute noch Karten? Deine Oma vielleicht. Das ist viel besser.« Er knipste das Navi ein.
»Endlich mal einer, der mitdenkt.« Sneijder beugte sich nach vorne. »Carls Handy ist in diesem Moment in die Mobilfunkstation zwo-vier-eins-acht eingeloggt.«
Kohler starrte frustriert auf die Anzeige des Navi. »In Wien gibt es tausendfünfhundert Mobilfunkstandorte mit knapp doppelt so vielen Stationen. Wir brauchen einen Senderkataster mit allen Standorten.«
»Die Station steht in der Sensengasse«, antwortete Sneijder ruhig. »Carls Handy hat sich in eine Antenne eingeloggt, die mit einem Sektor von hundertzwanzig Grad nach Süden zeigt. Reichweite etwa sechzig Meter.«
Brandstätter musste man nichts erklären. Er tippte ins Navi und brachte eine Karte des Stadtteils auf den Monitor. Die schlanken
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