Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
Vom Netzwerk:
Kollegen belächeln mich deswegen. Die denken, dass ich nichts draufhabe. Aber …«
    »Und Sie glauben, beim BKA ändert sich das?«, fiel er ihr ins Wort. »Dort sind Sie immer noch eins sechzig und werden belächelt. Vielleicht mehr als hier.« Die Andeutung hing wie eine Drohung im Raum.
    »Ich habe nicht die Ausbildung, Kurse, Schulungen und Fachseminare gemacht, damit ich in der Münchner Fußgängerzone einen Handtaschenraub protokolliere.«
    »Was wollen Sie stattdessen?« Er wurde laut. »In einer Zentralstellenfunktion hinter einem Schreibtisch versauern?«
    »Ich möchte in den aktiven Dienst.«
    »Was denn, um Himmels willen?«, rief er. »In einem Sondereinsatzkommando verdeckt gegen Gewalt- und Schwerkriminalität ermitteln? Schlepperbanden und international organisierten Handel mit Waffen und Munition auffliegen lassen?«
    »Nein.« Sie senkte die Stimme, da ein etwa zehnjähriger Junge mit struppiger Frisur und großer Brille an den Kaffeeautomaten trat und verzweifelt eine Münze in den Schlitz steckte, die jedoch immer wieder durchfiel. »Forensische Psychologie.«
    »Oh, Gott! « Sneijder hob die rechte Augenbraue. »Kein Wunder, dass Sie dreimal abgelehnt wurden, Clarice Starling. Die Abteilung nimmt nicht wahllos Leute auf.«
    »Danke für diese tolle Einsicht.« Klugscheißer!
    Mittlerweile waren ihre Pläne sowieso hinfällig. Nach dem Tod ihrer Mutter konnte sie ihre Schwester mit den drei Kindern nicht allein in München zurücklassen.
    Der Knabe versuchte erneut, die Münze in den Automaten zu stecken. Schließlich wandte Sneijder sich ihm genervt zu. »Junge, darf ich dir einen Rat geben?«

    Der Junge lächelte verlegen. »Ja, bitte.«
    Sneijder deutete zur anderen Seite des Raums. »Wenn du es da drüben bei dem anderen Automaten versuchst, störst du uns nicht.«
    Oh Mann, Sneijder war so ein Arschloch! Sabine erhob sich, nahm die Münze aus dem Rückgabefach und warf sie schwungvoll ein. Diesmal blieb sie stecken. »Möchtest du einen Kakao?«
    Der Junge nickte. Sabine drückte auf den Knopf. Ein Becher fiel herunter. Als der Junge mit dem heißen Getränk davonging, setzte sie sich wieder. »Der Kleine ist nicht mal zehn Jahre alt.«
    »Harry Potter sollte selbst lernen, wie er zu einem Getränk kommt«, knurrte Sneijder. »Sie können nicht jedem auf dieser Welt helfen. Falls doch, sollten Sie es bei der Caritas versuchen und nicht beim BKA. Vielleicht sind Sie dort besser aufgehoben.«
    »Danke für diesen wertvollen Rat«, fauchte sie.
    Sneijder erhob sich. »Gern geschehen. Ist kostenlos.«
    Er klemmte das Buch unter den Arm und verließ die Etage.
    Sabine folgte ihm. »Was haben Sie als Nächstes vor? Die Topfpflanzen der gesamten Etage unserer Dienststelle auf die Straße zu setzen?«
    Sneijder zeigte mit dem Finger auf sie. »Ich sagte Ihnen schon einmal: Versuchen Sie in meiner Gegenwart nicht, witzig zu sein!«
    Sie gingen zum Ausgang. Sabine deutete auf den Band unter Sneijders Arm. »Bezahlen Sie das Buch nicht?«
    »Wozu? Es gehört mir.«
    Sie traten ins Freie.
    Sabine hatte ihn beobachtet, wie er die Gerichtsmedizin verlassen und die Buchhandlung betreten hatte. Der dicke Wälzer wäre ihr aufgefallen.
    »Wo müssen Sie hin?«, fragte Sneijder.
    »Nach Hause, ich versuche zu schlafen.«
    »Tun Sie das. Sie sind ein hübsches Mädchen. Diese großen mandelbraunen Augen sind selten. Aber der traurige, immerzu ernste Blick steht Ihnen nicht gut.«

    »Wie sollte ich mich Ihrer Meinung nach fühlen?«, fragte sie.
    »Ich weiß, es ist eine schwierige Situation. Ihre Eltern führten einen scheußlichen Rosenkrieg, und jetzt das! Ruhen Sie sich aus. Ich gehe zum LKA und rede mit Ihrem Vater.«
    »Er war es nicht.«
    Sneijder legte den Kopf schief. »Er hat den Ermittlern eine haarsträubende Geschichte von dem Anruf des Entführers erzählt, von einem Telefonrätsel und dem Tintenfass, das er angeblich erhalten hat. Die glauben ihm kein Wort. Im Gegenteil – er ist einer der Hauptverdächtigen.«
    Obwohl sie in der Nachmittagssonne standen, wurde Sabine für einen Moment schwarz vor Augen.

11
    Nach zwei intensiven Therapiesitzungen fand Helen endlich Zeit und betrat Franks Arbeitszimmer. Den ganzen Nachmittag hatte sie während der Gespräche an die Gravur in Anne Lehners Ring denken müssen. Für Anne – von Frank. Was hatte ihr Mann mit dieser Sache zu tun?
    Ein merkwürdiges Gefühl erfasste sie, als sie den Blick über Franks Schreibtisch, die Kommoden, Glasvitrinen,

Weitere Kostenlose Bücher