Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
was der Abend noch zu bieten hatte.
Die erste Überraschung war jedenfalls von der angenehmen Sorte , als der Venezia -Wirt mit Gerda und Otto König an den Ehrentisch kam. „Die beste Figaro in Bärlingen und seine bezaubernde Gattin müssen naturlich an die Tisch von die Ehrengäste sitzen. Sie haben schließlich gerettet das Leben von meiner Valentina.“ Bevor Adriano allzu rührselig werden konnte, wurde er von seiner Frau kurz hinter den roten Plüschvorhang gerufen.
Georg freute sich, dass der Abend für ihn doch noch mehr Unterhaltung als den Austausch über die Bärlinger Gerüchteküche bereitzuhalten schien. Gerda und Otto König nahmen Platz und wurden sofort von den Damen des Tisches mit einem Glas Rotwein versorgt. Allerdings hatten die Bewohner der Schubartstraße vorerst keine Gelegenheit, die Friseure zu ihrem Einsatz auf dem Friedhof zu befragen und Details zu dem vereitelten Attentat auf Valentina Felice zu erfahren, denn jetzt trat der Pizzeria-Wirt von hinten auf die Bühne. Das Licht wurde gedimmt, doch der italienische Fanclub ließ sich davon nicht stören und unterhielt sich einfach lautstark weit er. Adriano räusperte sich, kam allerdings nicht gegen die Geräuschkulisse an. Erst die Unterstützung durch die Bärlinger Zuschauer brachte die temperamentvollen Südländer durch ein energisches „Pschscht!“ dazu, die Gespräche zumindest nur noch im Flüsterton zu führen und sich auf die freien Plätze zu setzen.
„Meine sehr verehrte Dame und Herre, liebe Freunde. Es ist mir eine besonders große Ehre, dass Sie sind gekommen in so großer Zahl. Ich begrüße Sie zu d ie vierte musikalische Abend hier und wünsche ganz viele Spaß mit die wunderbare Musik und die großartige Sängerin Valentina Felice.“ Georg sah sich um, der Applaus war artig, ein wenig verhalten. Noch bevor die Dame des Hauses die Bühne betrat, wurden bereits die ersten Weinflaschen ausgetauscht. Die Kellner des Venezias waren offensichtlich angewiesen, die italienische Gastfreundschaft an diesem Abend ganz wörtlich zu nehmen und keinen Gast vor einem leeren Glas sitzen zu lassen. Die Bärlinger freuten sich über den Gratis-Wein und sie ließen sich ohne große Gegenwehr nachschenken. Georg griff erst einmal zu dem köstlich duftenden Pizzabrot und den Oliven, die als Appetithäppchen auf den Tischen standen. Ohne Grundlage würde er nicht einmal mit seinen Tischnachbarn anstoßen können.
Nachdem der Pianist Platz genommen hatte, betrat die Künstlerin die Bühne und verbeugte sich mit großer Geste. Gerda König lehnte sich zu ihrem Mann und flüsterte ihm ins Ohr. „Die denkt wohl, sie ist in der Mailänder Scala. Jetzt bin ich gespannt, ob sie tatsächlich singen kann oder ob das eine Theateraufführung wird.“ Otto wusste, dass seine Frau immer ein wenig unter der exaltierten Art der Italienerin litt, wenn diese in den Friseur-Salon kam. Außerdem verstand sie in Punkto Musik keinen Spaß, es gab Könner oder Stümper, dazwischen war kein Platz. Otto hatte jetzt keine Lust auf eine musikalische Grundsatzdiskussion. „Ist doch egal, wie sie singt, wir machen uns trotzdem einen schönen Abend. Prost Schätzle.“ Gerda nippte an dem Wein, sie bevorzugte eigentlich einen kühlen spritzigen Weißwein, der auch nicht unbedingt allzu trocken sein musste. Der schwere Rotwein war sehr aromatisch und sicher keiner von den preiswerten Tafelweinen, die man im Venezia sonst zu Pizza und Pasta serviert bekam.
Der Pianist griff in die Tasten und Gerad König atmete erleichtert auf, wenigstens die Begleitung versprach einen Musikgenuss. Der junge Mann am Klavier sah nicht aus wie einer von Adriano Felices guten Freunden und dürfte demnach eine echte Gage für diesen Abend bekommen , überlegte Gerda im Stillen. Keine Frage, der Pizzeria-Inhaber hatte sich diesen Abend ganz schön was kosten lassen, schließlich hielt er auch alle Anwesenden mit Speis und Trank frei. Das kalte Büfett hatte sich schon einen Ruf in der Stadt erobert und Otto hatte bereits seit Tagen von nichts anderem mehr gesprochen. Er rätselte, mit welchen Gaumenfreuden der Italiener seine Gäste dieses Mal überraschen würde. Denn dass man an diesen Abenden zwar Musik von zweifelhafter Güte ertragen musste, sich dafür aber zwischendurch an einem Büfett der wahren Sinnenfreuden laben durfte, das war in Bärlingen längst ein offenes Geheimnis. Zwar gab kaum jemand freiwillig zu, den Gesangsabenden jemals beigewohnt zu haben, zu schnell geriet
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