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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ihren Kopf mit den sportlich geschnittenen
Haaren, deren ursprüngliches Schwarz mit zahleichen grauen Strähnen durchzogen
war.
    »Ja«, antwortete Regina ein wenig atemlos.
    Schwester Dagmar befüllte das Döschen für einen
Patienten zu Ende, machte einen Haken in der mit der Ärztin abgestimmten Liste
und sagte dann zu Regina: »Komm.«
    Sie verschloss sorgfältig das Schwesternzimmer und
ging mit Regina zurück zu dem Raum, in dem Paul Schüttemann lag. Unterwegs
begegneten sie erneut Frau Beckerling. Bevor die alte Dame etwas sagen konnte,
lächelte Regina sie an.
    »Ich habe Gerd informiert. Er kommt gleich zu Ihnen«,
wimmelte sie die alte Frau ab.
    »Danke, Schwester Regina.«
    »Kann Frau Beckerling eigentlich auch etwas anderes
als ›Danke‹ sagen?«, fragte Dagmar mit leiser Stimme. »Für den kleinsten
Handgriff bedankt sie sich.«
    »Wenn andere genauso wären«, erwiderte Regina, »dann
wäre unsere Arbeit erfreulicher.«
    Die beiden Frauen huschten in das Zimmer, in dem der
Tote lag.
    Schwester Dagmar nahm ein Stethoskop aus ihrer
Kitteltasche, entblößte die Brust des alten Mannes und horchte. Dann schüttelte
sie den Kopf.
    »Endlich hat er es geschafft«, sagte sie. »Er hat ja lange genug leiden müssen.«
    Regina nickte. »Ein sanfter Tod ist jedem zu wünschen.
Auch wenn mich das Sterben unserer Senioren immer wieder berührt.«
    Dagmar nahm ihre zehn Jahre ältere Kollegin kurz in
den Arm.
    »Du bist eben unsere mütterliche Seele«, sagte sie.
»Aber gegen den Tod sind wir machtlos. Manchmal ist es gut, wenn er zu den
Alten kommt und sie von Krankheit und Gebrechen oder der Einsamkeit erlöst.
Doch nun sollten wir die Doktersche anrufen, damit sie den Totenschein
ausstellen kann.«
    Dann verließen die beiden den Raum.
    *
    Die Frau mit dem sportlichen Kurzhaarschnitt, in dem
das Silbergrau eindeutig überwog, mochte um die sechzig sein, obwohl ihre
sportlich-schlanke Figur sie jünger erscheinen ließ. Sie beugte sich zu dem
Toten herab und untersuchte ihn oberflächlich. Dann wandte sie sich an die im
Hintergrund stehenden Krankenschwestern.
    »Können Sie mal behilflich sein, Herrn Schüttemann zu
entkleiden und umzulagern?«
    »Wieso denn das, Frau Doktor?«, mischte sich Broder
Brodersen ein. »Der ist doch eindeutig an Altersschwäche gestorben. Der war
seit Jahren krank. Krebs bis unter die Haarspitzen. Uns hat es alle gewundert,
dass er überhaupt so lange durchgehalten hat.«
    Dr. Christine Michalke warf dem Leiter der
»Hauke-Haien-Residenz« einen missbilligenden Blick zu.
    »Sie müssen es mir überlassen, was ich als notwendig
erachte, um einen korrekten Totenschein ausstellen zu können.«
    Der zur Rundlichkeit neigende Mann mit den
millimeterkurz geschnittenen rotblonden Haaren wollte es aber nicht dabei
bewenden lassen.
    »Sie sind nicht nur eine Ärztin mit Erfahrung, sondern
haben den alten Schüttemann auch selbst behandelt. Wer sollte besser wissen,
woran er eingegangen ist?«
    »Ich darf doch sehr bitten. Sie sollten mit etwas mehr
Respekt von Verstorbenen sprechen. Die Würde eines Menschen reicht schließlich
bis über den Tod hinaus.«
    Broder Brodersen fuchtelte nervös mit seinen Armen in
der Luft herum.
    »Wenn das Lebensende zu Ihrem Alltag gehört wie hier
bei uns im Seniorenheim, dann gewöhnen Sie sich an, den Tod als
Selbstverständlichkeit zu begreifen. Wir müssten hier alle wie die Sauertöpfe
herumlaufen, würden wir jedem Alten, der sich davonschleicht, bitterste Tränen
nachweinen. Es ist doch nicht unser Verschulden, wenn die Familien, was sag ich
– die Gesellschaft –, die nutzlosen Senioren bei uns abstellt, damit wir das langsame Dahinsiechen bis zum bitteren Ende begleiten und sich die Leute da
draußen«, Brodersen zeigte mit ausgestrecktem Arm auf das Fenster, »in ihrem
sonnigen Alltag nicht vom Geruch des Alters, von der Begegnung mit Alzheimer
und Demenz und gar der Inkontinenz stören lassen müssen.«
    Die Ärztin unterbrach kurz die Untersuchung des
Verstorbenen und sah den Heimleiter einen kurzen Moment gedankenverloren an.
    »Möglicherweise haben Sie mit Ihrer Anklage recht«,
sagte sie leise. »Deshalb können wir uns aber trotzdem auf Würde und Anstand
gegenüber den alten Menschen besinnen, auch wenn sie das manchmal sogar
erstrebte Ziel ihrer letzten Jahre erreicht haben.«
    »Ich habe nichts anderes gesagt«, protestierte
Brodersen. »Und warum stören Sie nun den verdienten Frieden, den der alte
Schüttemann endlich gefunden

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