Todesinstinkt
herrschte längeres Schweigen.
»Ich nehme nichts an, wenn Sie nichts bekommen«, sagte Younger schließlich. »Tatsache ist, dass Sie zum Zeitpunkt der Entdeckung auch kein Gesetzeshüter waren. Houston hatte Sie gerade entlassen.«
»Darauf habe ich ihn schon aufmerksam gemacht.«
»Was hat er darauf geantwortet?«
»Sie und ich, wir teilen uns zwei Millionen Dollar in Gold. Frohe Weihnachten.«
Nachbemerkung des Autors
D as Attentat vom 16. September 1920 auf die Wall Street sollte bis zum Anschlag von Oklahoma 1995 der zerstörerischste Terrorakt in der Geschichte der Vereinigten Staaten bleiben. Im Gegensatz zu diesem und den Angriffen vom 11. September 2001 wurde das Bombenattentat auf die Wall Street jedoch nie aufgeklärt. Die Täter wurden nie gefasst. Niemand wurde vor Gericht gestellt. Im Jahr 1944 zog das FBI das Fazit, dass die Explosion »allem Anschein nach das Werk italienischer Anarchisten oder italienischer Terroristen« gewesen sei. Doch dies war nur eine Mutmaßung, und die Identität der Verantwortlichen ist bis auf den heutigen Tag unbekannt.
Ich möchte hier betonen, dass meine »Lösung« dieses Rätsels imaginär ist. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die wahren Drahtzieher des Anschlags Senator Alber Bacon Fall, Thomas W. Lamont von der J. P. Morgan Company und der ehemalige Finanziminister William G. McAdoo waren. Diese Männer sind reale historische Gestalten; die beiden Letzteren genießen sogar zu Recht hohes Ansehen für ihr Wirken im Staatsdienst und bedeutende Leistungen. So entsprechen zwar die von mir nacherzählten Hintergrundfakten über sie der Wahrheit, aber meine Geschichte über ihre Verantwortung für das Wall-Street-Attentat ist einfach nur eine Geschichte.
Was an Todesinstinkt ist Fakt und was ist Fiktion? Ich bin
einem einfachen Grundsatz gefolgt. Die Handlung des Buchs – die Nöte der Protagonisten, die Schandtaten, die sie enthüllen – ist erfunden. Die Welt, in der die Handlung spielt, ist real.
Die Kulisse, vor der sich das Geschehen des Buchs entfaltet, ist also wahr. Zum Zeitpunkt der Explosion auf der Wall Street wurde tatsächlich direkt gegenüber auf einer Holzbrücke fast eine Milliarde Dollar US-Gold aus dem alten Schatzamt in die angrenzende Münzanstalt transportiert. Wenige Kilometer entfernt bemalten Hunderte von Arbeiterinnen Leuchtzifferblätter für Uhren und spitzten dabei die giftigen Pinsel mit den Lippen. In Washington intrigierte Senator Fall – beinahe erfolgreich –, um einen Krieg mit Mexiko anzuzetteln, der ihn und seine mächtigen Freunde in der Ölindustrie bereichert hätte. Und im vom Krieg verwüsteten Europa war Sigmund Freud gerade zu einem neuen Verständnis der Seele gelangt, demzufolge jeder Mensch mit zwei grundlegenden Trieben geboren wird: einem, der sich auf das Leben und die Liebe, und einem anderen, der sich auf den Tod richtet.
Allerdings ist der Diebstahl des Treasury-Golds, wie er im Buch beschrieben wird, erfunden. Die Vereinigten Staaten haben stets bestritten, dass Gold verlorenging. Die anerkannte Version ist, dass der Anschlag und die Goldverlegung rein zufällig gleichzeitig stattfanden und dass die Arbeiter, die das kostbare Metall transportierten, gerade Mittagspause machten und wenige Augenblicke vor der Explosion die schweren Tore zu beiden Seiten der Brücke verschlossen hatten.
Von den großen Ereignissen wie dem Attentat bis zu dem von Colette gesteuerten radiologischen Wagen mit dem
Spitznamen »Petite Curie« ist die in Todesinstinkt beschriebene Welt so real, wie ich sie nur machen konnte. Alle Details beruhen auf historischen Quellen. Leser, die auf diesen Seiten erfahren, dass am 11. November 1918 Tausende von Soldaten in sinnloser Weise ihr Leben lassen mussten, nachdem ihre Befehlshaber bereits von dem Waffenstillstand wussten, können darauf vertrauen, dass dies in zahllosen verlässlichen Berichten dokumentiert ist. Wenn ich eine Zeitung zitiere, dann wörtlich oder nahezu wörtlich, ohne Änderung des Inhalts. Bei der Schilderung der Explosion vom 16. September greife ich auf zeitgenössische Dokumente zurück: Tatsächlich wurde ein Taxi durch die Luft geschleudert, einer Frau wurde der Kopf abgetrennt, und die Scharten in den Mauern der Morgan Bank sind bis auf den heutigen Tag zu sehen. Selbst die unerhörten Fälschungen, die beweisen sollten, dass der mexikanische Staat Bestechungsgelder an drei US-Senatoren bezahlt hatte, sind historisch belegt, wurden allerdings erst einige
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