Todeskette
ermorden.« Wie immer in einem Notfall klang seine Stimme ruhig und beherrscht. »Aber haben Sie sich schon einmal überlegt, Lavinia, wie Sie unsere Leichen verschwinden lassen wollen?«
»Gute Frage, Mr. Tweed, aber ich habe mir bereits etwas einfallen lassen. Ich werde sie auf den traurigen Rest von Marshals lächerlichem Schiff packen und damit hinaus aufs Meer schicken. Ist das in Ordnung für Sie?«, fügte sie mit einem höhnischen Lächeln noch an.
Paula war entsetzt über diese herzlose Antwort, und Lavinas nächste Worte verstärkten ihr Entsetzen noch weiter.
»Sie haben übrigens nicht richtig gezählt, Mr. Tweed. Sehen Sie doch mal, wer da hinter mir an Deck liegt.«
»Das ist Marshal Main!«, antwortete Tweed, nachdem er einen Schritt auf den Rumpf zu gemacht hatte.
»Mit einer Schlinge aus Stacheldraht um den Hals. Sie haben Ihren eigenen Vater ermordet. Vatermord ist mit das schlimmste Verbrechen, das ein Mensch begehen kann.«
»Den nennen Sie einen Vater?«, erwiderte Lavinia mit giftiger Stimme. »Für mich war das nur ein Pseudovater, den ich gehasst habe wie nichts anderes auf dieser Welt. Er hat mich gezeugt, als er mit dieser Nutte Mandy Carlyle herumgemacht hat. Möge sie in der Hölle schmoren, meine widerwärtige Pseudomutter. Die Frau, die mich großgezogen hat und die ich immer noch als meine wahre Mutter ansehe, konnte keine Kinder kriegen und hat sich von Marshal breitschlagen lassen, seinen Hurenbalg – sprich mich – als die Tochter anzunehmen, die sie nie würde bekommen können. In einer korrupten Klitsche von einer Klinik weit weg von Hengistbury haben sie diese Farce durchgezogen, und als meine Mutter mit mir zurück nach Hause kam, hat keiner den Schwindel bemerkt. Bis heute haben sie das nicht. Können Sie verstehen, wieso ich diesen sogenannten Vater hasse?«
»Ja, das kann ich«, erwiderte Tweed. »Aber wie haben Sie das alles herausgefunden?«
Ich muss Lavinia so lange wie möglich am Reden halten, dachte Tweed. Sie hatte die Schrotflinte bereits entsichert, und wenn sie aus dieser Entfernung abdrückte, wären sie mit einem einzigen Schuss beide tot.
»Mir ist Marshals geheimes Scheckbuch in die Hände gefallen, mit dem er dieser Carlyle Unsummen bezahlt hat«, antwortete Lavinia, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte. »Als mir klar wurde, dass sie eine Erpresserin war, habe ich mir nach und nach alles zusammengereimt. «
»Warum haben Sie Bella ermordet?«
»Das liegt doch auf der Hand. Sie stand mir im Weg, weil ich die Bank übernehmen wollte. Und außerdem…«, Lavinias Lippen verzogen sich zu einem hässlichen Grinsen, »… war sie vierundachtzig. Sie hat ihr Leben gelebt.«
Lavinias Herzlosigkeit erschütterte Paula zutiefst.
»Aus Ihrem Blickwinkel kann ich das vielleicht sogar verstehen«, sagte Tweed, ohne eine Miene zu verziehen. »Aber wie sieht es mit Mrs. Carlyle aus? Warum haben Sie die umgebracht?«
»Weil ich die Frau gehasst habe. Verstehen Sie das denn nicht? Außerdem hat sie Marshal erpresst und war somit eine Gefahr für die ganze Familie.«
»Was genau ist in Mrs. Carlyles Haus in Dodd’s End geschehen?«
»Ich habe sie besucht und ihr eröffnet, wer ich bin, aber sie hat mir nur höhnisch ins Gesicht gelacht und gemeint, es sei ihr ein ganz besonderes Vergnügen, ihre einzige Tochter kennenzulernen. Dabei war sie so besoffen, dass sie kaum aus ihrem Sessel hochgekommen ist.«
»Was ist dann passiert?«
»Ihre Bemerkung hat mich furchtbar wütend gemacht. Ich habe sie gefragt, ob ich mir was zu trinken holen dürfte, und bin hinter ihr in Richtung Hausbar gegangen. Dabei habe ich die Drahtschlinge aus der Tasche genommen und sie ihr von hinten um den Hals gelegt. Den Rest können Sie sich denken.« Sie grinste böse. »Und eines dürfen Sie mir glauben: Ich habe keine Schlinge mit mehr Kraft zugezogen als diese. Um ein Haar hätte ich ihr den ganzen Kopf heruntergerissen.«
»Das kann ich verstehen«, zwang sich Tweed zu sagen. Er musste Lavinia unbedingt bei Laune halten. »Aber wie haben Sie ihre Adresse herausgefunden?«
»Das war einfach. Der dumme Marshal hat sie hinten in eines seiner geheimen Scheckbücher geschrieben.«
»Warum musste Leo sterben?«
»Ach, Leo…« Sie grinste sadistisch. »Er konnte das Lauschen einfach nicht lassen und hat dabei dummerweise eines meiner Gespräche mit Calouste Doubenkian mitbekommen. Ich wusste, dass er das weitererzählen würde, also blieb mir keine Wahl.«
»Auch das ist
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