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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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kauerte und den
Besuchern fordernd eine Hand entgegenstreckte.
    »Ein Bettler«, sagte Schwälm. »Die wenigen Zeugen
sprachen doch von einer Gestalt, die wie ein Leprakranker aussah.«
    Sie näherten sich dem Bettler, der auf seinen
angewinkelten Beinen hockte. Die ganze Figur war in grobes sackartiges Leinen
gewandet. Die spitze Kapuze war tief in die Stirn gezogen und verdeckte das
Gesicht.
    »Hallo«, sagte Schwälm. Der Bettler sah sie an. Aus
einem geschwärzten Antlitz leuchteten den beiden Polizisten ein paar strahlend
blaue Augen entgegen.
    »Moin«, erwiderte der Bettler den Gruß mit einer
angenehmen Mädchenstimme.
    »Wir sind von der Polizei und haben ein paar Fragen an
Sie.«
    Die Gestalt raffte sich auf und schob die Kapuze vom
Kopf. Darunter kam schulterlanges nussbraunes Haar zum Vorschein. »Warum?«,
fragte die junge Frau. »Ich bin ordnungsgemäß als Schausteller eingetragen.«
    »Darum geht es nicht.« Schwälm lächelte sie an. »Haben
Sie etwas von dem Ereignis mitbekommen, das sich dort drüben vor der Schmiede
zugetragen hat?«
    Sie folgte mit ihrem Blick der ausgestreckten Hand des
Hauptkommissars. »Nein. Ich habe allerdings vorhin eine kleine Pause gemacht
und bin selbst über den Markt geschlendert. Mein Freund hat mich aufgegabelt,
und wir haben eine Kleinigkeit gegessen.«
    »An welchem Stand?«
    Erneut lächelte sie und zeigte dabei eine Reihe weißer
Zähne. »An mehreren. Das ist doch das Schöne hier, dass man an vielen Stellen
einmal naschen kann.«
    Die beiden Beamten baten um die Personalien der Frau.
Sie hieß Jasmin Johannsen, war zweiundzwanzig Jahre alt, studierte in Hamburg
Sozialpädagogik und war mit dem Hauptwohnsitz bei ihren Eltern in Tellingstedt
gemeldet.
    »Haben Sie einen Kostümierten gesehen, der wie ein
Leprakranker aussah? Möglicherweise trug er eine ähnliche Verkleidung wie Sie?«
    »Sie sind gut«, antwortete sie amüsiert. »Schauen Sie
sich doch um. Nicht nur den Gästen macht es Spaß, am Heider Marktfrieden
teilzuhaben. Auch uns, den Darstellern, bereitet es viel Vergnügen. Außerdem
laufen hier so viele Akteure herum, da kann man sich nicht jeden Einzelnen
merken.«
    »Uns interessiert auch nur eine Person, die ähnlich
wie Sie gekleidet ist.«
    »Eigentlich bin ich ganz froh, dass meine Idee keine
Nachahmer gefunden hat«, sagte Jasmin Johannsen. »Das verdirbt sonst das
Geschäft. Wenn Sie allein als Bettler unterwegs sind, empfinden die Leute es
als zum mittelalterlichen Ambiente passend. Wenn sie aber alle paar Meter von
einem zerlumpten Bettler behelligt werden, fängt es an zu stören. Und das
möchte niemand.«
    »Würden Sie uns bitte begleiten?«, bat Schwälm die
junge Frau.
    »Warum denn?«, protestierte sie schwach, folgte dann
aber den beiden Beamten, nachdem Bongers sie vorsichtig am Ellenbogen gepackt
hatte. Niemand achtete auf die drei Personen, die sich vorsichtig einen Weg
durch die immer noch dichte Menschenmenge zum Ausgang bahnten. Sie legten den
Weg bis zum Dienstgebäude der Heider Polizei, das direkt am Marktplatz liegt,
zu Fuß zurück. Es dauerte eine Weile, bis sie am Sonntag Einlass fanden.
    Die Spurensicherung untersuchte Jasmin Johannsens
Hände und Kostüm auf Schmauchspuren. Eine herbeigerufene Polizistin nahm außerdem
eine Leibesvisitation vor. Doch alle Ergebnisse waren negativ. Mit einer
Digitalkamera fotografierten sie Jasmin Johannsen von allen Seiten, mit und
ohne Kapuze, frontal und seitlich.
    Schwälm hatte beschlossen, gemeinsam mit Bongers die
Hinterbliebenen zu besuchen. Sie verließen die Kreisstadt und folgten der alten
Bundesstraße Richtung Norden. Stelle-Wittenwurth war ein so überschaubarer Ort,
dass sich die Menschen nicht nur untereinander, sondern sogar Nachbars
Haustiere kannten.
    Die Dorfstraße war von gepflegten Anwesen geprägt.
Akkurat herausgeputzte Vorgärten und anheimelnd wirkende Häuser zeugten davon,
dass sich die Menschen in der Abgeschiedenheit ihres Ortes wohlfühlten.
    Das Eigenheim der Familie Meiners unterschied sich in
nichts von denen der Nachbarn. In der Garageneinfahrt stand ein Opel Vectra,
dahinter ein japanischer Kleinwagen.
    Das kleine Beet vor dem Haus war sauber geharkt, die
winzige Rasenfläche gemäht, und selbst in den Balkonkästen vor den Fenstern war
auf den ersten Blick keine verblühte Geranie zu entdecken.
    Auf der gegenüberliegenden Seite lugte hinter der
Gardine ein Teil eines Gesichts hervor, von dem man nicht sagen konnte, welchem
Geschlecht der Besitzer

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