Todesläufer: Thriller (German Edition)
trägt Brustprothesen, woraus sie kein Geheimnis macht. Sie musste sich vor zwei Jahren infolge einer Krebserkrankung einer Brustamputation unterziehen.«
Dieses Geständnis nötigte den wenigen Frauen in der Reporterschar respektvolle und zugleich mitfühlende Blicke ab.
»Tut mir leid, ich verstehe trotzdem nicht …«
»Im Anhang meiner Mail befand sich ein Zeitungsartikel über einen wissenschaftlichen Bericht, der in diesem Sommer in Großbritannien erschienen ist. Er geht der Frage nach, ob und inwieweit solche Prothesen von der neuesten Generation der Sprengstoffdetektoren durchleuchtet werden können.«
Mit einer sachlichen Geste wies er auf den Oberkörper seiner Frau.
»Diese Implantatkissen könnten randvoll mit stabilisiertem Nitroglyzerin oder Triacetontriperoxid gefüllt sein, ohne dass meine Frau an irgendeinem Flughafen der Welt Angst vor einer Kontrolle haben müsste.«
Die Journalisten zuckten unwillkürlich zusammen.
»Ich versichere Ihnen«, fuhr Nadir Zerdaoui mit einer beschwichtigenden Handbewegung fort, »selbst wenn die Prothesen bis oben hin voll mit Sprengstoff wären – was nicht der Fall ist –, ließe sich dieser erst zünden, wenn man ein Reagens einspritzte, das als Zünder dient. Und selbstverständlich hätten wir die Kontrollen nie und nimmer passieren können, wenn wir eine Injektionsspritze bei uns gehabt hätten, die immerhin so groß sein müsste wie … wie beispielsweise Ihre Mikrofone da.«
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Ich will den Beweis dafür erbringen, dass es unmöglich ist, eine Bedrohung dieses Landes auch nur anzusprechen, und sei es in privater Korrespondenz, ohne sogleich als Terrorist zu gelten. Zugleich aber besteht die Möglichkeit, eine gefährliche Substanz durch die gesamte Kontrollkette zu schmuggeln, ohne dass sich irgendwer deswegen beunruhigt zeigt.«
Bernstein kam ihm zu Hilfe.
»Ich weiß nicht, ob Sie sich über die Absurdität und Unsinnigkeit dieses Systems ganz im Klaren sind. Man hat meine beiden Freunde nicht etwa deshalb aufgehalten, weil sie einen verdächtigen Gegenstand mit sich geführt hätten, über den die Presse in aller Welt berichtet hat, sondern lediglich, weil sie in einer E-Mail von wenigen Zeilen eine solche Möglichkeit erwähnt haben!«
Ein junger Volontär lieferte ihm eine Vorlage, wie sie besser nicht hätte sein können: »Und inwiefern soll das in Bezug auf den 11. September Licht ins Dunkel bringen?«
Auf eine solche Frage hatte Aaron Bernstein gewartet. Jetzt konnte er seine ganze anwaltliche Eloquenz ausspielen. Die gesamte, keineswegs ungefährliche Inszenierung hatte auf diesen einen Augenblick abgezielt, diese Minute des Ruhms vor einer gebannten Zuhörerschaft.
»Es unterstreicht in offenkundiger Weise, was einige unabhängige Stimmen, unter ihnen auch meine«, fügte er mit gespielter Bescheidenheit hinzu, »in diesem Land seit Jahren immer wieder betont haben: Es ist unmöglich, dass die verschiedenen Regierungsstellen nichts von den umfangreichen Attentatsvorbereitungen auf amerikanischem Boden gewusst haben sollen, wie sie behaupten. Daher kommt es einem Verbrechen gleich, dass sie untätig mit angesehen haben, wie diese Männer Linienflugzeuge gewissermaßen zu Marschflugkörpern umfunktioniert haben, anstatt der Sache von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Dass es bei der NSA ausgerechnet während der drei Tage, an denen die Terroristen ihre Aktionen koordiniert haben, einen Computerausfall gegeben haben soll, ist zu ungeheuerlich, um wahr zu sein. Und was ist mit den Pannen bei der Weitergabe der von der NSA abgefangenen Informationen an andere Stellen? Jeder von Ihnen weiß genauso gut wie ich, dass schon lange vor dem Jahr 2001 Vorkehrungen zum Schutz vor menschlichem Versagen eingeführt wurden, die automatisch greifen sollen, sobald einlaufende Informationen die Geheimhaltungsstufe COMINT GAMMA überschreiten.«
John Wheelstone, im Medientross ein alter Hase, dem man nichts vormachen konnte, fuhr dem Anwalt in die Parade: »Sie haben einen Aspekt außer Acht gelassen. Heute ist das Echelon-Netz zwei- bis dreimal so dicht geknüpft wie damals.«
»Da gebe ich Ihnen recht. Zugleich möchte ich Sie aber daran erinnern, dass eine einzige E-Mail das ausgelöst hat, dessen Zeuge wir heute geworden sind. Eine einzige! Noch dazu wurde sie in Großbritannien abgeschickt, einem befreundeten Land. Die Mitglieder von al-Qaida haben über Jahre hinweg Dutzende von Telefonaten geführt,
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