Todesläufer: Thriller (German Edition)
sich vor sie hin und sagte in akzentfreiem Englisch: »Sie sind doch von der Polizei, nicht wahr? Sie müssen eingreifen! Sie dürfen nicht zulassen, dass diese Leute unseren Andachtsort entweihen.«
Liz hob beschwichtigend eine Hand.
»Beruhigen Sie sich. Ich habe bereits Verstärkung angefordert. Was ist vorgefallen?«
»Nichts! Sie sind in mehreren kleinen Gruppen gekommen, und als sie genug Leute zusammenhatten, wollten sie gewaltsam in unsere Moschee eindringen. Unser Imam hat sich mit zwei oder drei anderen drinnen verbarrikadiert, damit sie nicht reinkönnen.«
»Kommt so etwas oft vor?«
»Noch nie. Wir sind eine sehr gemäßigte Gemeinde, hier ist es ausgesprochen ruhig. Wir alle sind gute Muslime und wollen den Frieden.«
Fast noch nie , korrigierte sie seine Aussage im Stillen und dachte an die Ereignisse des Jahres 1993.
»Sind Sie sicher, dass es in jüngster Zeit keine weiteren Vorfälle gegeben hat? Sind Ihnen vielleicht verdächtige Gestalten aufgefallen?«
»Nein. Das Einzige …«
»Ja?«
»Ein anonymer Brief, den der Imam vor zwei Wochen bekommen hat.«
»Was stand darin?«
»Dass es für unsere Sicherheit besser wäre, die Moschee eine Zeitlang zu schließen.«
»Eine Drohung?«, erkundigte sich Sam.
»Eher eine Art Ratschlag, würde ich sagen.«
»Und haben Sie ihn befolgt?«
»Wissen Sie, wenn wir alle Mitteilungen dieser Art ernst nähmen, die wir seit zwanzig Jahren bekommen … wäre die Moschee die meiste Zeit geschlossen. Wir haben hier den größten Betsaal von ganz Brooklyn.«
Hinter ihm entstand ein Gerangel. Fäuste flogen, und Liz’ Aufforderung an die Streithähne, damit aufzuhören, verhallte. Sam trat einen Schritt vor, schlug seine Lederjacke zurück, zog mit entschlossener Geste seine Glock 19 und gab einen Schuss in die Luft ab.
Die Demonstranten erstarrten, und im nächsten Augenblick verschwand ein Teil von ihnen wie ein Spatzenschwarm. Diejenigen, die blieben, Gläubige wie deren Gegner, waren verstummt.
Sam senkte die Waffe.
»Du bist total verrückt!«
Liz packte ihn am Revers.
»Hattest du eine bessere Idee?«
»Steck das verdammte Ding sofort wieder ein! Ich darf dich daran erinnern, dass du mir unterstellt bist.«
Auf das vielstimmige Gedudel ihres Mobiltelefons der neuesten Generation folgte das einfache Klingeln eines schlichteren Modells. » NSA Garner« stand auf dem Display des ersten, »unterdrückte Nummer« auf dem anderen.
Beide beendeten ihr Gespräch nahezu gleichzeitig. Der Blick, den sie miteinander tauschten, zeigte an, dass es jetzt ernst wurde, sehr ernst.
»Willst du anfangen?«
»Nein, mach du«, gab sie seine Höflichkeit zurück. »Wenn es nicht zu lange dauert.«
»Die ATF -Leute haben die Sprengstoffspuren vom Union Square untersucht. Es handelt sich um hochkonzentriertes Nitropenta. Kleine Menge, große Wirkung. Es heißt, fünfzig Gramm davon würden genügen, um ein Verkehrsflugzeug abstürzen zu lassen. So viel hatte Umar Farouk bei sich, als er die Maschine von Amsterdam nach Detroit in die Luft jagen wollte.«
»Sonst noch was?«
Seine Augen leuchteten.
»Und ob. Es wird noch spannender! Die haben außerdem Nanothermit entdeckt.«
»Du meinst … das Nanothermit?«
In dem kleinen Wörtchen das schwang die Erinnerung an mehrere Jahre der Ermittlung, öffentliche Debatten und polemische Auseinandersetzungen mit, die sich so lange hingezogen hatten, bis Dr. Niels Harrit, Professor für organische Chemie an der Universität Kopenhagen und ausgewiesene wissenschaftliche Autorität, im Jahre 2009 mehrere Staubproben aus dem Schutt von Ground Zero analysiert hatte. Dabei war er zu dem Ergebnis gekommen, dass sich im Fundament des World Trade Center Nanothermit befunden haben müsse. Dieses ausschließlich für das amerikanische Militär produzierte, metastabile, intermolekulare Gemisch hatte den Zweck, Metalle bei Temperaturen deutlich unterhalb ihres natürlichen Schmelzpunkts zu verflüssigen.
Dies war eine mögliche Erklärung, wieso die Zwillingstürme binnen weniger Minuten wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzen konnten – und genau darauf stützten sich die haarsträubendsten Verschwörungstheorien. Allerdings kam die Studie zu spät, als dass sie die amtlichen Ergebnisse des Kean-Ausschusses noch hätte ins Wanken bringen können. Noch überraschender war jedoch, dass in den folgenden Jahren nicht eine Vereinigung von Angehörigen der Opfer eine Überprüfung der amtlichen Ergebnisse und eine neue,
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