Todesläufer: Thriller (German Edition)
ungehindert.
»Na hör mal, Dad, du bist doch Polizist!«, widersetzte sich Grace im quengelnden Ton eines Kleinkindes. »Da werden wir ja wohl nicht wie die Hasen davonlaufen!«
»He, Francky, hast du gesehen? Wir kriegen sogar noch was geschenkt!«
Der kleine Dürre mit dem Fuchsgesicht unter der grünen Mütze, der das gesagt hatte, fasste die junge Frau mit den langen, brünetten Haaren genauer ins Auge.
»Lass den Scheiß, TJ , die ist nicht allein …«
»Ich hab nichts gegen ’nen flotten Vierer.«
Sein abscheuliches Grinsen entblößte ein ziemlich lückenhaftes Gebiss.
Er stellte die Tasche mit seiner Beute auf den Boden und setzte ihnen, den Schläger lässig schwingend, nach. Sein Kumpel, den er Francky genannt hatte, fluchte, folgte ihm dann aber. Ohne ihre Last gewannen sie rasch an Boden.
»Ihr braucht keine Angst zu haben, wir sind ganz lieb!«, spottete der mit dem Fuchsgesicht und fasste sich in den Schritt.
»Verschwindet!«, zischte Sam über die Schulter.
»Ach, du teilst wohl nicht gerne? Willst dein Spielzeug für dich selber behalten? Das ist aber nicht nett von dir! Hat dir das deine Mummy nie gesagt?«
Mit geübter Hand ließ er seine Waffe durch die Luft zischen.
Der Schlag in die Kniekehlen folgte ohne Vorwarnung. Sam ging mit einem Schmerzenslaut zu Boden. Eine ganze Serie noch heftigerer Hiebe prasselte auf seinen Brustkorb nieder. Er krümmte sich mit verzerrtem Gesicht, unfähig, ein Wort herauszubringen.
»Daddy!«
Grace’ Schrei zerriss die Nacht. Sie wusste nicht, was sie tun sollte: sich zu Boden werfen, sich auf den Kerl mit dem Baseballschläger stürzen oder davonlaufen, mit der Aussicht, bei jedem noch so kurzen Stopp in die Luft zu gehen.
2 Sekunden …
»Hast du das gehört, Francky? Sie sagt zu ihrem Macker Daddy ! Wenn das nicht pervers ist.«
» TJ , warte mal …«
Sein Begleiter schien von der Sache nicht ganz so begeistert zu sein.
5 Sekunden …
Jetzt! Grace rannte drauflos, mitten auf die Straße. Entweder das oder sie würden alle miteinander in die Luft fliegen. Hätte ihr Vater reden können, wäre vermutlich genau das sein Rat gewesen.
»Was soll der Scheiß? Hol die miese Schlampe zurück!«, kreischte TJ .
Als der sich am Boden wälzende Sam nach seinem Holster griff, hagelte eine neue Reihe von Schlägen auf ihn herab, traf ihn am Unterleib, an der Schulter und schließlich im Gesicht. Seine Wange schwoll sofort an.
Rasch beugte sich der Angreifer über ihn und brachte erst die Dienstwaffe und dann das Funkgerät an sich. Begeistert blickte er auf seine Beute.
»Große Klasse!«
Ein Stück weiter jagte Francky hinter Grace her. Sport war nicht gerade ihre Stärke, von ein paar Einheiten auf dem Laufband und dem Stepper im Fitnessstudio abgesehen. Und außerdem war sie schon seit Stunden unterwegs. Wie viele Kilometer mochte sie inzwischen zurückgelegt haben? Zehn? Fünfzehn? Mehr?
Sie rang nach Luft. Schon bald hatte ihr Verfolger sie gepackt.
1 Sekunde …
Er war stämmiger und muskulöser als sein Kumpel. Daher gelang es ihm mühelos, sie trotz ihrer Gegenwehr zu überwältigen.
4 Sekunden …
»Ich hab ’ne Bombe!«
»Schnauze!«
»Ich schwöre es! Ich gehöre zu den angeblichen Selbstmordattentätern, die seit heute Morgen in die Luft fliegen! Das kann jeden Augenblick passieren!«
»Du bluffst doch bloß. Das zieht bei mir nicht …«, gab er zurück, doch ganz sicher war er seiner Sache offenbar nicht.
Sie unternahm einen letzten Versuch. »Halt mich noch fünf Sekunden fest, und wir gehen beide drauf. Eins …«
Ihre List zeigte Wirkung. Eine junge Frau ihres Alters, die sich mitten in der Nacht allein mit ihrem Vater auf der Straße herumtrieb, während sich die ganze Stadt verkroch … das sah nicht nach einem Spaziergang aus. Es ergab keinen Sinn, außer …
Er löste seine Umklammerung gerade genug, dass sie zwei, drei Schritte von ihm fortspringen konnte. Sofort lief sie weiter, um die Höllenmaschine in ihrer Brust am Auslösen zu hindern.
Francky hörte, wie hinter ihm die Schläge seines Kumpels immer heftiger auf dessen Opfer niederprasselten. Er wandte sich von der davonwankenden Gestalt ab, die bald darauf mit der dichten Finsternis am anderen Ende der Straße verschmolz.
Einer ihrer perlmuttglänzenden Ballerina-Schuhe war ihr vom Fuß gerutscht und auf dem Asphalt liegen geblieben.
7 UHR 20 – NEW YORK – ST. LUKE’S ROOSEVELT HOSPITAL CENTER
Die Explosion hatte nur vier Opfer gefordert: Außer
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