Todeslauf: Thriller (German Edition)
mich und eine Gefangene, die nebenan ist. Ich kann sie nicht gut in Handschellen in ein Linienflugzeug setzen. Arrangieren Sie das für mich?«
»Ja. Ich besorge Ihnen einen Privatjet.« Kenneth ging ans Telefon. Als er den Hörer in der Hand hielt, zögerte er. »Glauben Sie, dass Mila tot ist?«
»Ich hoffe nicht. Ich hoffe, ich finde sie rechtzeitig. Die Leute, die sie in ihrer Gewalt haben, wollen bestimmt alles über diese Tafelrunde herausfinden.«
»Sie werden sie nicht brechen«, sagte er voller Überzeugung.
Mila war Edwards Trumpf. Er wusste, dass er und seine Vorgesetzten einen mächtigen Feind hatten, für den Mila und ich arbeiteten. Nur deshalb hatte er sie am Leben gelassen. Edward tat immer das, wovon er sich den größten Nutzen versprach.
Ich sah auf Lucy hinunter. »Wir werden jetzt eine Flugreise machen, du und ich. Wenn du abzuhauen versuchst oder eine Szene machst, dann erschieße ich dich. Hast du mich verstanden, Schätzchen?«
»Ja, Äffchen.« Lucy hielt ihre Handgelenke hoch. »Ich hab dich verstanden.«
95
Die Kabine war schlicht, aber praktisch eingerichtet. Wir waren unter uns – ich, Lucy, der Pilot und der Kopilot. Sie stellten mir keine Fragen über unseren Gast in Handschellen.
»Man hat ihnen gesagt, dass sie eine Gefangene der CIA ist«, erläuterte Kenneth. »Ich habe mir gedacht, Sie finden die Ironie vielleicht ganz nett.«
»Danke.«
Lucy aß das Sandwich, das ich ihr gab, und trank aus einer Wasserflasche.
Das Flugzeug startete und glitt über die dunkle Weite des Atlantiks hinweg.
»Ich habe eine Frage an dich. Wie genau kommt die DNA in den Chip?«
»Ich könnte dich mit der exakten wissenschaftlichen Erklärung langweilen, aber im Wesentlichen wird der Chip mit einem Haar oder einer Blutprobe versehen, und der Chip speichert dann die DNA der Zielperson auf der Kugel. Damit ist die Kugel so etwas wie eine Lenkwaffe.«
»Aber er hat auch auf dich geschossen und nicht getroffen.«
»Weil er meine DNA nicht auf dem Chip hatte. Ohne die DNA funktioniert die Pistole als ganz normale Waffe.«
»Besitzt er einen Chip mit deiner DNA?«
Sie wollte schon antworten, blieb dann aber stumm.
»Er könnte sie haben, ohne dass du’s weißt.«
»Wenn er schlau ist, hat er sie. Edward ist verdammt wachsam – er rechnet immer damit, dass jemand abtrünnig wird.«
»Ich habe lange darüber nachgedacht, warum du zur Verräterin geworden bist, wie es passieren konnte, dass dich ein Psychopath wie Edward dazu verleitet, dein Leben mit mir aufzugeben.«
»Na ja, als du gegen diese kriminellen Netzwerke ermittelt hast, da habe ich gesehen, mit was für Zahlen du es zu tun hattest. Es ist unglaublich, wie viel Geld diese Verbrecherringe umsetzen. Milliarden und Abermilliarden. Der Handel mit illegalen Waren macht heute schon zwanzig Prozent der Weltwirtschaft aus. Man braucht nur die richtige Mischung von Leuten, damit es funktioniert. Schmuggler, Killer, Hacker. Das richtige Netzwerk. Und dann …« Sie sah mich kühl an. »Ich bin eine Geschäftsfrau. Sie haben mir Geld angeboten. Ich wusste, dass ich das Geld über Konten der Company weißwaschen konnte. Jedenfalls hab ich gedacht, es würde keiner merken. Und wenn ich ihnen die Dateien gab, würde ich damit niemandem wehtun.«
»Erzähl mir mehr über Novem Soles.«
»Ich habe einen Kontaktmann. Er hat mir das Geld gegeben, aber ich habe ihn nie gesehen.« Sie aß ihr Sandwich fertig. »Ich weiß nicht einmal, wie sie zu ihrem Namen gekommen sind. Ich habe eine alte Legende über neun Sonnen im Internet gefunden. Aus China. Da heißt es, dass es einmal zehn Sonnen gab, die alle zugleich am Himmel standen und die Erde verbrannten, sodass nichts mehr wuchs.« Ihre Stimme wurde sehr leise. »Um die Menschen vor dem Verhungern zu retten, schoss der Bogenschütze Hou Yi neun der zehn unheilbringenden Sonnen vom Himmel und befahl der letzten, jeden Tag pünktlich auf- und unterzugehen.« Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen. »Er wollte wohl verhindern, dass die anderen neun Sonnen je wieder Schaden anrichten können. Ich weiß nicht, ob die Geschichte direkt etwas mit Novem Soles zu tun hat und warum sie sich einen lateinischen Namen geben, wenn sie sich wirklich auf diese chinesische Legende beziehen. Aber sie sehen sich selbst jedenfalls als neun Leute, die keinen Stein auf dem anderen lassen und die Welt nach ihren Vorstellungen verändern.«
»Ist Edward einer von ihnen? Oder ist er nur ein
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