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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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fragte sich, warum sie ihn nicht langsam einholten, wenn das zutraf.
    Olson aß die Tafel Schokolade auf, die er an der Startlinie angebrochen hatte, und trank einen Schluck Wasser. Auch einige andere fingen an zu essen, doch Garraty beschloß zu warten, bis er wirklich hungrig war. Er hatte gehört, daß die Konzentrate sehr gut sein sollten. Die Astronauten bekamen sie auf ihre Raumflüge mit.
    Kurz nach zehn Uhr kamen sie an einem Straßenschild vorbei: LIMESTONE 10 MEILEN. Garraty dachte an den einzigen Marsch, den sein Vater ihn hatte sehen lassen. Sie waren damals nach Freeport gefahren und hatten zugesehen, wie die Geher durch die Stadt marschiert waren. Seine Mutter war auch dabei gewesen. Die Geher waren erschöpft und hohläugig gewesen und hatten das Publikum am Straßenrand kaum wahrgenommen, das ihnen beständig zujubelte, mit den selbstgemalten Schildern winkte und besonders seine Lieblinge und diejenigen, auf die es gewettet hatte, aufmunterte. Sein Vater hatte ihm später erzählt, daß die Menge an dem Tag die gesamte Strecke von Bangor an umsäumt hätte. Hier auf dem Land war die Sache nicht so interessant, und die Straßen wurden strikt abgeriegelt - vielleicht um die Läufer nicht in ihrer Konzentration und Ruhe zu stören, wie Barkovitch vorhin behauptet hatte. Aber mit fortschreitender Zeit ging es natürlich immer besser.
    Als die Geher in jenem Jahr durch Freeport gekommen wa-ren, hatten sie schon zweiundsiebzig Stunden auf der Straße hinter sich. Garraty war damals von den Eindrücken völlig überwältigt gewesen. Der Major hatte eine Rede ans Volk gehalten, als die Geher noch fünf Meilen von der Stadt entfernt gewesen waren. Er hatte mit >Wettkampf< begonnen, war dann zu >Patriotismus< übergegangen und schließlich bei Bruttosozialprodukt gelandet - und Garraty hatte darüber gelacht, denn >Brutto-< hatte für ihn die Bedeutung von >brutal< gehabt. Er hatte sechs Hotdogs verputzt, und als er die Geher endlich kommen sah, hatte er sich in die Hose gemacht.
    Einer der Jungen hatte geschrien, das war ihm am lebhaftesten in Erinnerung geblieben. Jedesmal, wenn er einen Fuß aufgesetzt hatte, hatte er: »Ich kann nicht, ich kann nicht!« geschrien. Aber er war weitergegangen. Alle waren weitergegangen, und schon bald war der letzte auf die U. S. i eingebogen und ihren Blicken entschwunden. Garraty war ein bißchen enttäuscht gewesen, weil er nicht sehen konnte, wie einer dran glauben mußte. Danach waren sie nie wieder zu einem Marsch gegangen. Später in der Nacht hatte Garraty gehört, wie sein Vater mit belegter Stimme jemanden am Telefon angeschrien hatte, wie er es immer tat, wenn er betrunken war oder politische Diskussionen führte. Im Hintergrund hatte seine Mutter ihn mit ihrer verschwörerischen Flüsterstimme beschworen, damit aufzuhören, bevor jemand auf dem Nebenanschluß mithörte.
    Garraty trank noch einen Schluck Wasser und fragte sich, wie Barkovitch zurechtkäme.
    Sie kamen jetzt an mehreren Häusern vorbei. Die Familien saßen in ihren Vorgärten, winkten ihnen lächelnd zu und tranken Coca-Cola.
    »Garraty«, sagte McVries plötzlich. »Sieh mal an, was wir da für dich haben.«
    Ein hübsches, etwa sechzehnjähriges Mädchen in weißer Bluse und einer rotkarierten, bis zu den Waden reichenden Hose hielt ein großes, mit einem Leuchtstift bemaltes Schild in die Höhe: GO-GO-GARRATY NUMMER 47 Wir lieben dich Ray »Maines Stolz«.
    Garraty spürte, wie ihm die Brust schwoll. Plötzlich wußte er, daß er gewinnen würde. Dieses namenlose Mädchen war der Beweis dafür.
    Olson pfiff anzüglich und rieb seinen ausgestreckten Zeigefinger schnell in seiner lockeren Faust hin und her. Garraty fand das ausgesprochen abscheulich, Zum Teufel mit Hinweis 13. Schnell rannte er an den Straßenrand. Das Mädchen erkannte seine Nummer und kreischte. Es warf sich ihm an den Hals und küßte ihn heftig. Er spürte eine süße, warme Erregung und küßte sie ebenso heftig zurück. Zweimal fuhr ihm ihre köstliche Zunge in den Mund. Er war sich kaum bewußt, was er tat, als er seine Hand auf ihren wohlgerundeten Po legte und ihn sanft knetete.
    »Warnung! Warnung für Nummer 47!«
    Er trat einen Schritt zurück und lächelte verschmitzt: »Danke.«
    »Oh... Oh... Oh, klar!« Ihre Augen waren glasig.
    Er überlegte, was er ihr noch sagen könnte, doch dann bemerkte er, daß der Soldat den Mund öffnete, um ihm die zweite Verwarnung zu erteilen. Immer noch lächelnd und ein bißchen außer

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