Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
nicht sehen, was zwischen uns ist – es hat mich fast wahnsinnig gemacht. Aber ich durfte nicht drüber reden, denn wenn ich es getan hätte, hätte ich dich wahrscheinlich nicht mal mehr zu sehen bekommen. Das hab’ ich auch Jerry gesagt: Es hat keinen Zweck – halt bloß deinen Mund, hab’ ich ihm gesagt!«
    »Was war mit Jerry?«
    Chad schluckte. »Wir sind einander so nah; das einzige, was zwischen uns steht sind unsere Körper. Du bist sehr schön, Ann, aber das ist für mich nicht wichtig. Es bedeutet mir nichts, und dir sollte es auch egal sein. Na gut, ich sehe nicht so aus wie Paul – aber macht es denn so einen Unterschied?«
    »Was hast du Jerry gesagt?«
    »Ich bin wirklich ein sehr netter Mensch, Ann!«
    »Was hast du Jerry gesagt?« beharrte Ann.
    »Daß er seinen Mund halten sollte!«
    Ann schrak hoch. »Worüber denn?«
    »Über uns!«
    Schon wieder dieses Wort! »Wann war das?«
    »Letzten August.«
    Ann fühlte, wie die Kälte sich in ihrer Brust ausbreitete und ihren ganzen Körper auszufüllen begann, und das flaue Gefühl kehrte zurück. Wieder sah sie dieses Kissen vor sich, schloß die Augen und sah es immer noch. Dann öffnete sie sie wieder und sah Chad. Er war als erster dagewesen, hatte sie als erster getröstet.
    »Du hast ihn umgebracht«, murmelte sie.
    Er starrte sie wieder an. »Jerry hat sich selbst getötet, Ann.«
    »Du bist ein Lügner!«
    Die Worte schienen ihn zu treffen, denn er wandte sich ab und blickte in den hinteren Teil der Höhle. Er bewegte die Lippen, brachte aber keinen Ton heraus – oder vielleicht hörte sie es auch nur nicht. Das Getöse des Flusses dröhnte jetzt in ihren Ohren, und es schien sowohl aus dem hinteren Teil der Höhle zu kommen wie auch aus der Öffnung zur Schlucht hin. Plötzlich zog auch der Wind herein, und die Kerze begann wild zu flackern.
    Aber das Dröhnen des Flusses und das Rauschen des Windes waren genauso Teil ihrer Gedanken wie ihrer äußeren Umgebung, sie wirbelten alles fort, was sie für wahr gehalten hatte, und enttarnten die Lüge. Chad war wirklich ein Lügner!
    Jerry hatte keinen Selbstmord begangen!
    »Er lachte mich aus«, sagte Chad, als sie ihn schließlich wieder verstehen konnte. »Er hat gesagt, ich hätte nicht den Mut, es bei dir zu versuchen, und auch keine Chance. Ich hab’ ihm geantwortet, daß ich das wüßte – ich bin schließlich nicht dumm! Ich bin sogar viel schlauer, als er es war. Aber er hörte nicht auf, sich über mich lustig zu machen; es war einfach nicht fair! Wenn er mir von Sharon erzählte, hab’ ich ihm immer zugehört und ihm Mut gemacht. Aber wenn’s um seine Schwester ging, war das plötzlich was anderes. Er dachte, er könnte alles sagen und damit durchkommen. Er hätte alles verdorben… und das, nachdem ich mich ihm anvertraut hatte!«
    »Wie hast du es getan?« fragte Ann nüchtern.
    Chad hielt einen Moment inne und blickte sie an. »Das willst du doch nicht wirklich wissen?«
    »Wie?« wiederholte sie hartnäckig.
    Chad wirkte gequält.
    »Ich konnte ihn nicht dazu bringen zu versprechen, daß er seinen Mund hielt. Als er ins Bett ging, sagte er, er müßte sich überlegen, ob er dir erzählen sollte, was ich für dich empfand; er war so gemein! Ihm gefiel es, Macht über mich zu haben! Ich fuhr nach Hause und holte die Pistole von meinem Vater. Dann fuhr ich wieder zurück…
    Du weißt ja, daß ich einen Schlüssel habe. Du warst noch mit Sharon im Kino, und Jerry schlief tief und fest. Ich konnte ihn schon im Flur leise schnarchen hören. Ich bin in sein Schlafzimmer geschlichen und ließ das Licht aus. Ich hatte Handschuhe angezogen. Jerry schlief auf dem Rücken. Er hat nichts gespürt, Ann!«
    »Was hast du dann getan?« fragte Ann entschlossen weiter, während ihre Blicke zwischen dem Messer in seinem Gürtel und der Kerze auf dem Stein hin und her gingen. Die Klinge war lang und scharf, und sie würde tief in seinen Brustkorb eindringen, wenn sie hart genug zustieß. Die Kerze war ziemlich heruntergebrannt und hatte eine Pfütze aus heißem Wachs unter sich. Das würde ihn für einige Sekunden blind machen, wenn sie es ihm in die Augen schüttete.
    Ann begann, ihre rechte Hand vorsichtig zu bewegen, um wieder Gefühl darin zu bekommen. Die Nerven an den Fingergelenken begannen zu prickeln, während ihr Ellenbogen unverändert weh tat.
    »Ich hab’ seinen Mund aufgemacht und den Lauf hineingesteckt«, erklärte Chad.
    »Und dann hast du abgedrückt?«
    »Ja.«
    »Einfach so?

Weitere Kostenlose Bücher