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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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kühle und feuchte Hand umschloß die ihre, und das warme Sonnenlicht wurde schwächer und verschwand schließlich ganz.
    Ann schlug die Augen auf. Die Sterne waren verschwunden, genau wie der Fluß. Der Himmel war aus grauem Stein, dunkle Schatten huschten auf seiner Oberfläche hin und her, und sie sah ein schwaches, flackerndes Licht. Sie befand sich in einer Höhle, und sie war nicht allein. Jemand saß an ihrer Seite und hielt ihre Hand. Ann richtete sich erschrocken auf.
    »Wie fühlst du dich?« fragte Chad.
    Ann betastete ihren Kopf mit der linken Hand, die Chad freigab. Er hatte ihren Kopf mit einem kleinen Handtuch bandagiert; der Schmerz war noch da, aber die Wunde hatte aufgehört zu bluten. Ann konnte wieder klar denken.
    »Ich werd’s schon überleben«, sagte sie erleichtert.
    »Ich hab’ dich auf der Brücke gefunden – du warst kurz davor, runterzufallen.«
    »Wie lange war ich ohnmächtig?« fragte sie rauh.
    »Ich hab’ dich vor einer Stunde gefunden.«
    »Vor einer Stunde also…«
    Die Größe der Höhle war schwer zu erkennen. Chad hatte eine Kerze angemacht und sie auf einen Stein gestellt, aber ihre schwachen Strahlen reichten höchstens einen halben Meter weit bevor sie von der Dunkelheit verschluckt wurden. Doch Ann hatte den Eindruck, daß die Höhle sehr tief sein mußte, und ganz sicher lag sie nah am Fluß, denn sie konnte das Getöse der Stromschnellen in der Schlucht bis hierher hören.
    »Was ist das hier für ein Platz?« fragte sie.
    »Ich hab’ ihn vor Jahren entdeckt«, erklärte Chad, der sie aufmerksam zu beobachten schien. »Auf einer Wandertour. Ich komme oft hierher, weil es sehr geschützt ist. Du hast ziemlich stark geblutet, deshalb dachte ich, ich bringe dich besser her.«
    »Ich bin froh, daß du mich rechtzeitig gefunden hast!«
    »Ja…«
    Sie mußte ehrlich zu ihm sein, und sie mußte sich der Situation stellen. »Du fragst dich sicher, was ich hier mache, oder?« fragte sie.
    »Ich hab’ dich hergebracht.«
    »Aber ich wette, du hast nicht erwartet, mich auf der Brücke zu finden, stimmt’s?«
    Er zögerte, bevor er antwortete: »Nein.«
    »Was machen die anderen gerade?« erkundigte sie sich.
    »Paul sucht nach deiner Leiche; Fred läuft zum Wagen zurück, um die Polizei zu rufen, und was Sharon vorhat, weiß ich nicht.«
    Etwas kam ihr seltsam vor. »Du scheinst gar nicht verwundert zu sein, mich hier zu sehen«, sagte sie.
    »Ich hab’ meine Verwunderung schon hinter mir.«
    »Das kann ich mir denken«, meinte Ann und deutete auf das zusammengerollte Seil, das zu ihren Füßen lag. »Du hast dir bestimmt schon gedacht, was ich getan hab’, nicht?«
    Er nickte.
    »Du bist von der Klippe gesprungen.«
    »Aber ich bin nicht gestorben.«
    »Nein.«
    Ann schaute ihn aufmerksam an. Chad benahm sich absolut nicht, wie sie es erwartet hätte; er saß sehr ruhig da.
    »Weißt du, was ich hier mache?« fragte sie ihn.
    »Du kannst es mir ja erzählen.«
    Ann nickte. »Aber bevor ich das tue, muß ich dir erklären, was ich dir eigentlich schon lange sagen wollte, schon als ich das erstemal dran gedacht habe.« Sie holte tief Luft und blickte in die Flamme, deren Licht sich in glitzernden Streifen auf der Klinge des langen Messers spiegelte, das Chad in seinem Gürtel trug. Ihre einzige Chance, ihren Plan doch noch auszuführen, lag darin, Chad einzuweihen. Er mußte begreifen, wie wichtig es ihr war. Er war ihr über viele Jahre ein treuer Freund gewesen, und er würde ihr zumindest zuhören.
    »Ihr wart am Lagerfeuer, als ich von der Klippe sprang«, begann sie. »Ihr habt gehört wie ich ›Tu’s nicht‹ gerufen habe. Das sollte den Eindruck erwecken, als ab Sharon mich runtergestoßen hätte.« Sie hielt einen Moment inne. »Ich will, daß Sharon wegen Mordes an mir angeklagt wird.«
    »Ich verstehe.«
    »Weißt du auch warum?« fragte sie.
    »Wegen Jerry?«
    »Ja, wegen Jerry. Du warst dort, du hast seinen Brief gelesen – Sharon hat ihn umgebracht!«
    »Nein, das hat sie nicht.«
    »Doch, sie hat! Jerry war dein bester Freund, also weißt du besser als irgendjemand anders, was sie ihm angetan hat!«
    »Jerry hat Sharon geliebt.«
    »Ja, und genau deshalb hat sie ihn umgebracht – er hat es ihretwegen getan. Ich hasse sie, Chad. Ich würde sie am liebsten auch umbringen!«
    »Warum tust du es dann nicht?«
    Diese Frage brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht, weil sie so direkt war und genau den Punkt traf – es war ihr nie eingefallen: Sie hätte Sharon

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