Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
Wochenende, und an manchen Wochenenden blieb sie einfach im Bett.
Das Café sah gemütlich aus, ruhige Musik in dezenter Lautstärke, warme Holzmöbel und verführerischer Kaffeeduft. Die Türen und Fenster hielt man penibel geschlossen, denn drinnen war die Luft wesentlich besser als draußen, obwohl ein Hauch von Asche zu spüren war. An einem Tisch saß ein Paar mit einem Kinderwagen, die Frau vor einem Kaffee, während der Mann Wasser trank und sich hinter seinem Laptop versteckte. Am Tresen stand ein Mann mit einem großen Hund und unterhielt sich mit einem Angestellten.
Dann entdeckte Ísrún die Frau. Iðunn.
Es war dieselbe Frau wie auf den Fotos, die sie in einer alten Tageszeitung gefunden hatte: Elías und Iðunn beim vierzigsten Geburtstag eines beliebten Politikers – der einzige Unterschied war der, dass Iðunn ihre Haare jetzt rot gefärbt hatte.
Ísrún ging zu ihr und bestellte einen Capuccino.
Als Iðunn ihr die Tasse brachte, nutzte sie die Gelegenheit und sagte: »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor. Kann es sein, dass wir uns schon mal irgendwo begegnet sind?«
»Äh … schon möglich. Ich kann mir Gesichter nicht besonders gut merken«, antwortete Iðunn freundlich.
»Aber ich. Das kann manchmal richtig nervig sein. Ich heiße Ísrún.«
Iðunn stellte sich vor und schien Ísrún allmählich zu erkennen.
»Doch … ich glaube, ich habe Sie wirklich schon mal gesehen. Kann es sein, dass wir uns vor ein paar Jahren bei einem vierzigsten Geburtstag kennengelernt haben?«, fragte Ísrún, machte eine Kunstpause und trank einen Schluck Capuccino. »Der ist wirklich gut. Gehört das Café Ihnen?«
»Vielen Dank. Ja, es gehört mir. Neu eröffnet. Ich hatte ein Café im Einkaufszentrum Kringlan, wollte aber näher in die Innenstadt.« Iðunn lächelte.
Ísrún beschloss, es darauf ankommen zu lassen. »Oh mein Gott, sind Sie nicht die Frau von Elías? Der im Norden tot aufgefunden wurde?«
Das Lächeln verschwand aus Iðunns Gesicht und wurde von einem sarkastischen Grinsen abgelöst. »Sie können dieses Theater ruhig lassen. Ich habe Sie im Fernsehen gesehen, Sie sind doch bei den Nachrichten, oder? Jedenfalls sind Sie keine gute Schauspielerin!«
Ísrún nickte beschämt. Dabei hatte sie gedacht, sie könnte sich gar nicht schämen.
»Aber Sie haben recht«, sagte Iðunn. »Ich war seine Frau. Das ist längst vorbei. Was wollen Sie über den Dreckskerl wissen?« Dann fügte sie mit kühler Stimme hinzu: »Um den ist es nicht schade.«
Ísrún war als Journalistin einiges gewöhnt, aber diese Reaktion überraschte sie. Sie brachte kaum ein Wort heraus.
»Die Polizei hat mir heute Morgen mitgeteilt, dass er tot ist«, sagte Iðunn dann, wie um die Stille zu durchbrechen. »Ich kann nicht sagen, dass mich das geschockt hat.«
»Hatte er … was mit anderen Frauen, als Sie mit ihm verheiratet waren?«, fragte Ísrún schließlich leise.
»Ja, da können Sie Gift drauf nehmen. Er war ein richtiges Arschloch. Ich weiß nicht, wie ich auf die Idee kommen konnte, ihn zu heiraten.« Plötzlich schien sie ihre ehrliche Reaktion zu bereuen und sagte mit Nachdruck: »Aber bitte zitieren Sie mich um Gottes willen nicht in den Nachrichten. Und machen Sie bloß keinen Heiligen aus ihm, wenn Sie über den Fall berichten!«
»Die Gefahr besteht nicht«, sagte Ísrún. Sie war immer noch ein bisschen irritiert, versuchte aber, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. »Sie sind doch bei der Scheidung bestimmt ganz gut weggekommen.«
Iðunn lachte ein müdes, bitteres Lachen. »Träumen Sie weiter. Dieser Schuft hatte doch nie Geld, jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Ich habe immer unsere Schäfchen ins Trockene gebracht. Er hat von der Scheidung ganz schön profitiert. Hat meine Wohnung in Akureyri bekommen. Ist zwar nur ein kleines Loch, aber heutzutage bestimmt was wert. Ich denke, das war eine faire Vereinbarung. Zumindest konnte ich das Café behalten. Er ist … war so ein Mistkerl, dass er die Wohnung noch nicht mal auf sich überschreiben lassen hat. Sie läuft immer noch auf meine Firma, er wollte sich bestimmt die Immobiliensteuer sparen.« Dann plötzlich schien sie die positive Seite an Elías’ Tod zu registrieren und lächelte. »Na so was! Dann gehört die Wohnung ja doch wieder mir!«
»Manchmal hat man Glück im Unglück«, sagte Ísrún.
Sie bedankte sich für das Gespräch, gab sich einen Ruck und ging hinaus in die mit Asche gesättigte Luft.
Der Himmel war
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