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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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wo es nicht sieben Monate im Jahr schneite. «Wo kommen Sie denn ursprünglich her?», fragte sie.
    «Aus Somalia, Miss.»

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KAPITEL 11
    D as Feuer im Kamin der Jagdhütte war zu orangefarbener Glut heruntergebrannt. Claude legte noch ein paar Birkenholzscheite nach. Es war wirklich ein famoser Tag gewesen, der famoseste Tag überhaupt in letzter Zeit. Sie hatten getrunken, gelacht, in Erinnerungen geschwelgt und auf Konservenbüchsen geschossen, um sich auf die große Jagd am nächsten Morgen vorzubereiten.
    Diese Anstrengungen hatten ihnen allen einiges abverlangt, vor allem aber Joey, der sich schon kurz nach Sonnenuntergang ins Bett verabschiedet hatte – kein Wunder, wenn man seinen jämmerlichen Zustand bedachte. Jetzt waren sie nur noch zu zweit, zwei alte Schlachtrosse mit einer letzten Mission: die Flasche hervorragenden schottischen Whisky ganz zu leeren, bevor sie selbst in die Federn sanken.
    Claude hockte sich auf die steinerne Ofenbank und fachte das Feuer mit einem Schürhaken weiter an. Der Chief sah ihm von seinem ledernen Clubsessel aus dabei zu, die breiten Hände über dem vorstehenden Bauch gefaltet.
    «Du schießt ja immer noch ganz gut, Chimook», bemerkte er amüsiert, und sein Lachen klang wie fernes Donnergrollen. «Nicht mal ansatzweise so gut wie Joey und ich, aber doch nicht übel für einen alten hundefickenden Cowboy. Hast mich heute ganz schön beeindruckt.»
    «Zähl mal nach, Chief. Ich habe etwa fünfzehn Büchsen mehr umgelegt als du.»
    «Du mogelst ja auch immer. Wie beim Golfen.»
    «Ich mogele nie beim Golfen.»
    «Doch, ehrlich gesagt schon.»
    Claude musterte seinen Freund und hob eine buschige ergrauende Augenbraue. «Beim Golfspielen kann man vielleicht mogeln, mit einem Gewehr in der Hand nicht. Tot ist tot, das ist immer so, egal ob es Büchsen oder Menschen sind.»
    «Da hast du wahrscheinlich recht.» Der Chief verteilte den verbliebenen Scotch gleichmäßig auf ihre beiden halbleeren Tumbler. «Ich glaube, Joey hatte heute einen guten Tag.»
    «Ja. Den hatten wir alle.» Claude hob sein Glas, trank einen Schluck und genoss das holzige Brennen des frischen Whiskys in der Kehle. «Wenn du mich fragst, dann ist er hier oben bei uns kein Kranker, sondern einfach nur ein ganz normaler Mann. Das tut ihm gut. Bringt ja nichts, wenn wir der Realität erlauben, uns die gemeinsame Zeit zu verderben.»
    Der Chief nickte und sah den Flur entlang, in dem Joe vor ein paar Stunden verschwunden war. Claude folgte seinem Blick. «Trotzdem, traurige Sache. Wo ist der Sinn darin, dass zwei alte Morastratten wie wir, die zwei Jahre lang Agent Orange eingeatmet haben, einen großartigen Jungen wie ihn überleben?»
    «So hätte sein Weg in die Glücklichen Jagdgründe nicht sein sollen. Ein Krieger stirbt auf dem Schlachtfeld. Das ist die größte Ehre.»
    Claude musterte den Chief aufmerksam. «Ging uns beiden doch auch nicht so. Wenn ich mich recht erinnere, hast du uns beiden in der Nacht damals in Khe Sanh den Arsch gerettet, anstatt uns die ‹größte Ehre› zuteilwerden zu lassen.»
    «Unsere Zeit war noch nicht gekommen. Außerdem habe nicht ich uns den Arsch gerettet, sondern Mukwa.»
    «Hör mir bloß auf mit deiner Indianer-Mystik. Du weißt genau, dass ich für solchen Firlefanz keinen Nerv habe.»
    Lächelnd stemmte sich der Chief aus seinem Sessel. «Wir sollten langsam auch ans Schlafengehen denken, alter Junge. Morgen steht der Bär auf dem Plan, und der erfordert einen klaren Kopf. Da müssen wir ausgeschlafen sein.»
    Claude runzelte die Stirn. «Sag mal, Chief, das fällt mir gerade erst ein, aber gibt es nicht irgendwelche Regeln, die besagen, dass man sein eigenes Krafttier nicht jagen soll? Bringt das nicht Unglück oder so was?»
    «Nein. Indianer dürfen jagen, was sie wollen.» Sie mussten beide lachen.
    Als Claude sich ins Bett legte, spürte er, dass seine Muskeln von der Beanspruchung schmerzten, aber das störte ihn kein bisschen. Sein Vater hatte ihn schon mit fünf Jahren für alt genug erklärt, den Farmarbeitern mit den Tieren zu helfen, und mit jedem Jahr waren die Aufgaben anstrengender geworden. Muskelkater und Schmerzen waren da an der Tagesordnung gewesen.
    Nur ein einziges Mal, das wusste er noch, hatte Claude sich über die Arbeit beschwert. Sein Vater hatte nicht viel zu den Klagen seines einzigen Sohnes gesagt, sondern ihn einfach zu seinem staubbedeckten Pick-up geschleppt und auf den Beifahrersitz gesetzt. Sie waren

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