Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
zum Beispiel mit ›Blut-Schwestern im Netz‹ oder ›Hängendes Stillleben‹
oder ›Hommage à l’araignée‹ – ›eine Hommage an die Spinne‹.« Der Spider schnaubte
verächtlich.
»Wie ich
sehe, habt ihr mit Kunst leider nicht viel am Hut.« Er schnalzte mit den Fingern.
»Fast hätte ich’s ja vergessen: Ich hab euch etwas mitgebracht.«
In den Gesichter
seiner Entführungsopfer spiegelte sich blankes Entsetzten wider.
»Bei uns
hier unter der Erde ist es ja fast wie an Weihnachten: Jedes Mal, wenn ich zu euch
komme, zaubere ich ein Geschenk aus meinem Gabensack«, tönte der Spider.
Der Spider
war offenbar der Meinung, dass ihm ein besonders guter Scherz gelungen sei, denn
er lauschte einen Moment andächtig dem Nachhall seiner Worte. Dann öffnete er seinen
Rucksack, holte zwei Pappschachteln hervor und deutete nacheinander auf sie. »In
der einen Transportbox befindet sich eine schwarze Witwe, in der anderen eine Kamelspinne«,
sagte er in einem Ton, als würde er aus einer Speisekarte vorlesen. »Welche von
euch Hübschen möchte denn welches dieser süßen Tierchen etwas näher kennenlernen?«
Keine Antwort,
nur schiere Abscheu.
»Nun gut,
dann werde ich eben die Wahl treffen«, erklärte der Entführer.
Anschließend
streifte er seine Spezialhandschuhe über und entnahm einer der Schachteln eine tiefschwarze
Spinne, die im Durchmesser gerade mal vier Zentimeter maß.
»Das hier,
meine liebe Jessica, ist eine Latrodectus mactans, auch ›Schwarze Witwe‹ genannt«,
erklärte der Spinnenfreak.
Er stieg
ein paar die Leiter empor und führte die zappelnde Spinne so nahe an Jessicas Mund
heran, dass ihre dünnen, langen Beinchen die farblosen Lippen fast berührten. Jessica
presste den Mund zu einem schmalen Strich zusammen und schlug mit dem Hinterkopf
so fest gegen die Betonwand, dass die junge Frau vor Schmerzen aufstöhnte.
Mit verträumtem
Blick auf die schwarze Witwe, der diese Flugeinlage überhaupt nicht zu gefallen
schien, säuselte der Mann: »Habt ihr eine Idee, wieso dieses wunderhübsche Geschöpf
diesen merkwürdigen Namen trägt?«
Wieder keine
Antwort, nur Stöhnen und Krächzen.
»Die Erklärung
ist ziemlich einfach, meine Damen«, behauptete der Spinnenexperte. »Die Schwarzen
Witwen haben eine ausgesprochen spektakuläre Angewohnheit.« Wieder dieses feixende
Kichern. »Sie dürfte jeder Feministin juchzende Freudenschreie entlocken.«
Sein Grinsen
reichte fast von einem Ohr zum anderen. »Nach der Begattung töten die Spinnenweibchen
ihre bedeutend kleineren Männchen, fressen sie anschließend auf und machen sich
dadurch quasi selbst zur Witwe. Lustig, gell? Jetzt wisst ihr auch, warum in unserem
Land so viele Rentnerinnen ohne Mann an Kaffeefahrten teilnehmen.«
Der Spider
juchzte vor Freude. Er kletterte die Leiter herunter. Wie ein kleiner Junge, der
dringend zur Toilette musste, trippelte er auf der Stelle herum. Dann legte er seine
freie Hand auf Connys Kniescheibe und ließ sie langsam nach oben wandern.
Conny stellten
sich die Haare zu Berge. Sie spürte die raue Haut auf ihrem hypersensiblen Schenkel.
Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Kurz vor dem verkrusteten Spinnennetz entfernte
ihr Peiniger die Hand wieder und kehrte in seine theatralische Rednerpose zurück.
»Die Schwarze
Witwe ist eine der wenigen Spinnenarten, deren Giftklauen so kräftig sind, dass
sie tief in die Haut des Menschen einzudringen vermögen«, dozierte er. »Ihr Giftbiss
ist für Kinder äußerst gefährlich und in vielen Fällen sogar tödlich. Dagegen reagieren
Erwachsene weniger dramatisch darauf. Sie leiden unter starke Schmerzen, Lähmungen
und starken Krämpfen. Bei Menschen, die besonders sensibel auf diese Giftart reagieren,
kann es jedoch auch zum Atemstillstand kommen.«
Wie ein
Kind, das mit einem Papierflieger spielt, simulierte der Spider mit der Schwarzen
Witwe Flugbewegungen. Dazu stimmte er ein an- und abschwellendes Motorengeräusch
an. Der kleinen Spinne schien diese Flugshow nun noch weniger zu behagen, denn sie
schlug immer wilder mit ihren Beinchen um sich.
»Schon gut,
schon gut, meine Süße«, sagte er und beendete die Flugeinlage. »Das Fatale an der
Schwarze Witwe ist, dass man ihren Biss fast nicht wahrnimmt«, fuhr er mit seinem
Fachvortrag fort.
»Der menschliche
Körper reagiert nicht sofort auf das Gift, sondern erst mit ungefähr einer Stunde
Verzögerung. Leitbeschwerden sind starke Schmerzen in den Lymphknoten und im Oberbauch,
die als fast
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