Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
würden. Alles Mythen.«
Der Spider verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Oder vielleicht doch nicht?«
12
Als Tannenberg am nächsten Morgen
sehr zeitig seine Dienststelle betrat, lag sein Kollege Michael Schauß friedlich
schlafend auf einer Liege. Es war ein ungeschriebenes Gesetz im K 1, dass sich derjenige,
der zum nächtlichen Bereitschaftsdienst eingeteilt war, auf einem Klappbett ausruhen
durfte, das ansonsten in einem Abstellraum versteckt blieb.
»Guten Morgen,
Michael«, grüßte der Kommissariatsleiter. »Wünsche wohl geruht zu haben.«
Kommissar
Schauß wusste im ersten Augenblick offenbar nicht so recht, wo er gerade wach wurde.
»Was? Wie?«, stammelte er schlaftrunken, während er sich auf einem Ellbogen nach
oben stemmte. Blinzelnd schaute er auf seine Armbanduhr. »Du, Wolf? Wieso bist du
denn schon hier? Es ist doch erst halb sechs«, wunderte er sich.
»Ich hab
mich heute Nacht bei der Beobachtung von Kollmenters Haus mit meinem Vater abgewechselt«,
erklärte Tannenberg. »Und als Kollmenter um 5 Uhr zur Arbeit ging, war ich hellwach
und hätte eh nicht mehr schlafen können.«
Tannenberg
legte eine prallgefüllte Papiertüte auf den Schreibtisch seines jungen Mitarbeiters.
»Weil ich plötzlich einen Bärenhunger bekam, hab ich einen kleinen Umweg über die
Bahnhofsbäckerei gemacht und uns ein paar frische Croissants gekauft. Sie sind noch
warm.«
»Gute Idee«,
lobte Schauß gähnend. »Ich mach mich mal schnell auf der Toilette ein wenig frisch.«
»Und ich
braue jedem von uns einen Milchkaffee. Ist dir zu den Croissants doch auch lieber
als ein Espresso, oder?«
»Ja«, kam
es einsilbig zurück.
Kurz darauf
saßen die beiden Kriminalbeamten am Besuchertisch und frühstückten in aller Ruhe.
»War irgendetwas
Besonderes mit Kollmenter?«, wollte Michael Schauß kauend wissen.
»Nee, eigentlich
nicht«, antwortete Tannenberg. Er schnippte einen Croissantkrümel von seinem Hosenbein.
»Gegen 23 Uhr ist er nach Hause gekommen und heute Morgen ist er um 5 Uhr zur Arbeit
aufgebrochen«, ergänzte er schmatzend.
Gegen 7
Uhr 30 trudelten quasi im Minutentakt Petra Flockerzie, der Gerichtsmediziner Dr.
Rainer Schönthaler und Sabrina Schauß im K 1 ein.
»Du, Rainer,
ich hab heute Nacht noch mal über das Foto mit diesem eingeritzten Spinnennetz nachgedacht,
das uns dieser Irre geschickt hat«, sagte Tannenberg zu seinem besten Freund anstelle
einer Begrüßung.
»Hört, hört,
der Herr Hauptkommissar hat zum ersten Mal in seinem Leben nachgedacht. Respekt!«,
frotzelte Dr. Schönthaler.
Tannenberg
rollte genervt die Augen, sparte sich aber einen gepfefferten Kommentar.
»Wir gehen
doch nach wie vor davon aus, dass dieses Spinnennetz sehr wahrscheinlich mit einer
Rasierklinge oder einem Skalpell in die Haut hineingeritzt wurde, nicht wahr?«,
fragte er den Rechtsmediziner. »Könnte dieser Umstand nicht auf einen Mediziner
als Täter hindeuten?«
»Quatsch«,
zischte Dr. Schönthaler und winkte ab. »Jedermann kann heutzutage im Internet Skalpelle
bestellen. Und eine scharfe Rasierklinge darfst sogar du dir ohne Waffenschein kaufen.«
Der Leiter
des K 1 rümpfte die Nase »Haha.«
»Außerdem
möchte ich zur Ehrenrettung meines Berufsstandes entschieden darauf hinweisen, dass
sich unter uns Medizinmännern zwar durchaus auch einige Irre befinden, aber von
solch einem durchgeknallten Spinnenfetischisten hätte ich garantiert schon mal etwas
gehört, schließlich kenne ich ziemlich alle Kaiserslauterer Ärzte persönlich. Und
dass dieser Typ hier aus der Region stammt, dürfte wohl zweifelsfrei feststehen,
oder?«
Allseitiges
Nicken.
»Na ja,
Rainer, ich weiß nicht. Vielleicht liegt Wolf mit seiner Hypothese grundsätzlich
gar nicht so falsch«, unterstützte Sabrina Schauß ihren Chef. »Auch ich habe heute
Morgen bei meinem einsamen Frühstück nachgedacht«, sagte sie mit einem schmachtenden
Blick hinüber zu ihrem Ehemann.
Michael
schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln.
»Worüber
hast du nachgedacht?«, hakte Tannenberg nach.
Ȇber den
Brief des Entführers«, entgegnete Sabrina.
Sie schlug
eine Handakte auf, worin sich eine Kopie des betreffenden Asservats befand, und
legte sie auf den Besuchertisch. Mit ihrem Fingernagel tippte sie auf den abgedruckten
Text. »Hier unten steht das, worauf ich hinauswill«, fuhr sie fort: »›SPIEGEL, Heft
51/2008‹. Deutet das nicht auf eine wissenschaftliche Zitierweise hin?«
»Du meinst,
dieser Brief stammt
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