Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
Diese Verbrecher
sind doch mafiamäßig organisiert. Es ist wie bei diesem Schlangen-Ungeheuer in der
griechischen Sage: Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen sofort mehrere nach. Bei
diesen Verbrechern ist es doch genauso: Werden von denen welche gekascht, ruft der
Boss kurz zu Hause an und ruckzuck kommt mit dem nächsten Transitbus krimineller
Nachschub.«
»Okay, Sherlock
Holmes, ich leite deine brandheißen Tchibo-Tipps gleich an die Kollegen vom Einbruchsdezernat
weiter. Ich muss jetzt Schluss machen. In fünf Minuten beginnt die Frühbesprechung.
Tschüss.«
Tannenberg
legte auf und schnaufte erst ein paarmal kräftig durch. Anschließend las er den
Abschlussbericht seines letzten Falls, den er noch heute der Staatsanwaltschaft
vorlegen sollte.
»Che-ef«,
quäkte es aus der Gegensprechanlage, »die Zentrale für Sie. Ein toter Jogger zwischen
dem Gelterswoog und Queidersbach. Übernehmen Sie bitte?«
»Klar, Flocke,
stell durch.«
Tannenberg gabelte Dr. Schönthaler
in der Spaethstraße auf, wo der Rechtsmediziner in den tristen Katakomben des Westpfalzklinikums
seine Arbeit verrichtete. Eine knappe Viertelstunde später trafen sie an einem Waldparkplatz
in der Nähe des Queidersbacher Fußballplatzes ein. Die Streifenwagenbesatzung hatte
den Leichenfundort weiträumig abtrassiert, und die Kriminaltechniker begannen gerade
mit der Sicherung vermeintlicher Tatortspuren.
»Mensch,
Karl, lass bloß deine Schweißpropeller von dem armen Mann!«, blökte Dr. Schönthaler
an Mertel adressiert, der sich neben dem Toten niedergekniet hatte. »Vielleicht
lebt die Leiche ja noch und erleidet einen tödlichen Schock, wenn sie deine gemeine
Zuhälter-Visage sieht«, demonstrierte der Rechtsmediziner seinen berühmt-berüchtigten
Pathologenhumor.
Der altgediente
Spurenexperte zuckte noch nicht einmal mit der Wimper, sondern schob unbeeindruckt
die rechte Hand des Toten in eine Plastiktüte.
»Habt ihr
seine Identität schon klären können?«, fragte Tannenberg einen jungen Uniformierten.
»Nein, Herr
Hauptkommissar. Der Tote hatte weder Ausweispapiere noch Schlüssel, noch ein Handy
bei sich. Und ein Auto haben wir hier in der näheren Umgebung auch nicht entdeckt.
Womöglich wohnt das Opfer in Queidersbach und ist von dort aus zu seinem Waldlauf
aufgebrochen. Mein Kollege ist nach Queidersbach reingefahren und fragt mal rum.«
»Gute Idee«,
lobte der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission. Anschließend ging er zu Dr.
Schönthaler, der inzwischen mit Mertels Hilfe den Leichnam auf den Rücken gedreht
hatte.
Eingerahmt
von Farnwedeln lag der Jogger in einem Berg bunten Herbstlaubes. Dem Anschein nach
war er circa 25 Jahre alt, etwa einen Meter 85 groß und von sportlicher Statur.
Die hellblaue, ballonseidene Jacke seines Trainingsanzuges war im Bauch- und Brustbereich
von Blut durchtränkt.
»Wie du
selbst aus diesen fünf Rissen im Stoff schlussfolgern kannst, kommen als Todesursache
höchstwahrscheinlich mehrere Stichverletzungen in Betracht«, erklärte Dr. Schönthaler.
Er zeigte auf den linken Brustbereich des Toten. »Ich vermute mal tollkühn, dass
allein schon diese Stichverletzung hier gereicht hätte, um diesen Frischluftfanatiker
in einen stickigen Sarg zu befördern.«
»Aber warum
dann vier weitere Stiche, wenn schon dieser eine tödlich war?«, murmelte Tannenberg
vor sich hin.
»Vielleicht
wusste der Täter nicht so genau, wo sich bei einem vis-à-vis stehenden Menschen
das Herz befindet. Schließlich ist es dann ja auf der anderen Seite. Vielleicht
hat er deshalb ein wenig herumprobiert.«
»Blöde Theorie,
Rainer«, rüffelte der Chef-Ermittler.
»Dann eben
mal ernsthaft: Wir wissen, dass eine derartige Tatausführung auf eine hohe emotionale
Erregung hinweist, die wiederum …«
»… häufig
auf eine Beziehungstat schließen lässt«, vollendete sein Freund.
Der Rechtsmediziner
stimmte mit einer Kopfbewegung zu. »Es sieht übrigens ganz danach aus, als ob sich
unser Toter überhaupt nicht gewehrt hätte. Keine abgebrochenen Fingernägel oder
…«
»Also ein
Überraschungsangriff?«, schnitt ihm der Kriminalbeamte das Wort ab.
»Ja, die
Tat könnte sich so abgespielt haben. Aber vielleicht entdecke ich ja doch noch den
einen oder anderen Hautpartikel unter seinen Nägeln.« Dr. Schönthaler schnäuzte
sich trompetenartig die Nase.
»Dann hätten
wir die DNA des Täters.«
Sein Gegenüber
nickte zufrieden und schmierte seine Lippen mit einem Fettstift ein. »Und dann
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