Todesqual: Thriller
zurück. »Gut«, sagte er. »Nehmen wir einmal an, dass die Opfer zwar zufällig ausgewählt wurden, aber zwischen den Verbrechen ein Zusammenhang besteht. Lassen Sie uns rein hypothetisch davon ausgehen, dass der Täter eine dritte Person, also irgendein Arschloch vom Planeten X ist. Jetzt müssen Sie mir nur noch verraten, warum der Kerl sich anschließend weiter am Tatort herumdrückt. Was will er denn noch dort, nachdem das Opfer tot ist? Und jetzt sagen Sie bloß nicht, dass er eben eine Schwäche für Kreuzworträtsel und Klassik hat. Wenn wir es wirklich mit dem großen Unbekannten zu tun haben, verhält er sich unnötig riskant. Immerhin hätte José López ihn beim Nachhausekommen fast erwischt.«
»Es steht im Bericht«, erwiderte Novak. »Ein Zeuge hat jemanden aus dem Schlafzimmerfenster springen sehen. Wir dachten, es wäre Visconte.«
»Aber jetzt ist es nicht mehr Visconte«, entgegnete Barrera, »sondern jemand, den wir nicht kennen. In Brants Haus hat er die Frau vergewaltigt und ermordet und ihr sogar die Zehe abgeschnitten. Und dann soll er zwei Stunden im Internet gesurft und sich dabei einen runtergeholt haben? Warum zum Teufel tut jemand so etwas?«
Wieder so eine Eine-Million-Dollar-Frage, dachte Lena. Eine, auf die niemand eine Antwort wusste. Im nächsten Moment griff Novak nach dem Plastikbeutel mit der CD und stellte eine weitere, die bereits im Raum schwebte, allerdings noch nicht ausgesprochen worden war.
»Wenn Teresa López Nummer sechs und Nikki Brant Nummer sieben waren, was ist dann mit den übrigen fünf?«
Barrera schob seinen Stuhl zurück und stand auf, als hätte man ihm in einem Restaurant etwas Verdorbenes serviert. Lena glaubte, dass seine Hände leicht zitterten, bevor er sie in die Taschen steckte.
»Ich möchte nichts überstürzen«, sagte er. »Der Captain ist im Urlaub, weshalb ich mich mit dieser Sache an den fünften Stock wenden muss. Bis dahin kein Wort über den Zusammenhang mit dem Fall López, verstanden? Alle warten, bis wir morgen die Ergebnisse der Blutuntersuchung haben, damit wir wissen, woran wir sind. Welcher Staatsanwalt ist für den Fall López zuständig?«
»Derselbe wie bei Brant«, erwiderte Lena. »Roy Wemer.«
Sie hoffte, dass man ihr ihre Enttäuschung nicht anmerkte. In der fünften Etage residierten der Polizeipräsident und sein Stab. Das hieß, weitere Besprechungen, zusätzliche Berichte und womöglich jemand, der ihnen auf Schritt und Tritt über die Schulter schaute. Wer in der Chefetage die Pferde scheu machte, weckte die Bürokraten aus ihrem Dämmerschlaf. Und dass sämtliche Entscheidungen dann in Arbeitsgruppen gefällt werden mussten, würde nur Sand ins Getriebe streuen.
»Gut«, dachte Barrera laut. »Wir rufen das Labor an und sorgen dafür, dass die DNA-Spuren mit denen im Fall López verglichen werden. Bei einer Übereinstimmung spreche ich mit Wemer und kläre ihn über den Stand der Dinge auf.« Er betrachtete Lenas Aktenkoffer und sah sie an. »Haben Sie sich Schriftproben von Brant besorgt?«
Sie nickte.
»Und von seiner Frau?«
»Von der auch.«
»Gut. Dann beschäftigen Sie beide sich den restlichen Tag am besten damit, diese Proben untersuchen zu lassen. Auch wenn sie für uns identisch aussehen, hat das nicht viel zu bedeuten.«
»Es ist Sonntag«, wandte Novak ein. »Wir haben eigentlich geschlossen. Anderenfalls müssen Sie Überstunden genehmigen.«
Barrera nickte. »Holen Sie einfach jemanden her. Wo sind Sánchez und Rhodes?«
Novak zog die Augenbrauen hoch. »Sie befragen den Zeugen, der Brant in der Mordnacht beobachtet haben will.«
Seit einigen Jahren geschah es immer häufiger, dass Bürger sich meldeten und behaupteten, Zeugen eines Verbrechens geworden zu sein, um sich wichtig zu machen. Sie witterten eine Gelegenheit, endlich einmal im Mittelpunkt zu stehen oder sogar ins Fernsehen zu kommen. Lena hatte den Verdacht, diese Zeugenaussage könnte etwas damit zu tun haben, dass sie noch nie von einem der Drehbücher des Mannes gehört hatte. Vielleicht war dieser Ausflug in die Welt des Fernsehens ja ein Versuch, seinen Namen publik zu machen und seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen.
»Hört sich nach Behinderung der Justiz an«, meinte Barrera. »Sagen Sie Rhodes, er soll den Blödmann festnehmen und ihm ein Zimmer auf Staatskosten besorgen. Sánchez soll die Datenbanken nach den ersten fünf Opfern durchsuchen. Hat jemand was dagegen, Bernhardt hinzuzuziehen?«
Novak schüttelte den
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