Todesspiel
drei Männer halb betrunken waren. Sie hatten ihn erst bemerkt, als der Erste von ihnen jaulend zu Boden ging, nachdem Rubens ihn mit dem Baseballschläger in der Kniekehle getroffen hatte. Der Zweite hatte ein Messer gezückt, was ihm ein gebrochenes Handgelenk eingebracht hatte. Daraufhin hatte der Dritte klugerweise aufgegeben und war aus der Gasse gerannt. Einen Augenblick später war ein Auto mit aufheulendem Motor losgefahren.
Rubens hatte dem Dicken auf die Beine geholfen. Zu seiner großen Verblüffung hatte ihm Tommy, die Lippe blutig, das Hemd aus der Hose, grinsend einen Zettel hingehalten, auf dem er das Kennzeichen des Autos notiert hatte.
»Großartig«, hatte der Anwalt gesagt.
Rubens dachte schon, der Überfall hätte den Mann um den Verstand gebracht.
»Erspart mir einen Prozess. Haben Sie Lust, kurz mit mir nach Bay Ridge zu fahren und sich tausend Dollar zu verdienen?«
»Ich werde nichts Illegales tun.«
Tommy hatte laut gelacht und sich gleichzeitig die schmerzende Lippe gehalten. »Nichts Illegales, soso. Wo kommen Sie denn her? Aus Brasilien?«
»Mexiko.«
»Alles klar. Wenn Sie Mexikaner sind, komme ich aus Ghana.«
Rubens hatte sich umgedreht und war mit pochendem Herzen losgegangen.
Der Dicke hatte ihn jedoch schnell eingeholt und sagte, während er neben ihm herging: »Die Typen, die Sie da gerade verjagt haben, arbeiten in einer Kleiderfabrik in Bay Ridge. Der Mann, dem die Fabrik gehört, heuert Leute wie Sie an und zahlt ihnen dann keinen Lohn. Die Frauen, die für ihn arbeiten, legt er flach. Wer sich beschwert, wird zusammengeschlagen.«
Rubens blieb stehen.
»Ich vertrete ein paar von diesen Leuten«, sagte Tommy. »Aber jetzt habe ich das Kennzeichen. Und Sie haben die Typen gesehen. Der Chef wird sofort zahlen, wenn wir heute Abend bei ihm klingeln und ihm vor den Augen seiner Frau eine Szene machen.«
Rubens hatte es vorgezogen, nach Hause zu gehen.
Aber vier Tage später hatte es bei ihm geklingelt, und Tommy Kostos hatte vor der Tür gestanden, seinen vierzehnjährigen Sohn Jamie im Schlepptau. Sie hatten Baklava und Retsina mitgebracht. Und Moussaka und Gyros und einen weißen Umschlag mit tausend Dollar.
Tommy sagte zu Rubens: »Meine Mandanten haben ihr Geld, ich hab mein Geld. Das ist Ihr Lohn. Alles ganz legal. Muito bem?«
Tommy hatte ihn gefunden, weil er einfach davon ausgegangen war, dass Rubens in der Nähe des Tatorts wohnte, einem Viertel, in dem der Anwalt aufgewachsen war. Natürlich kannte er sämtliche Geschäftsleute am Ditmars Boulevard, vor allem den Besitzer des Billigrestaurants Ipanema, wo die Brasilianer gewöhnlich rumhingen. Und er kannte auch den Mann, bei dem illegale Einwanderer ihre Lohnschecks einlösen konnten, wenn sie sich nicht trauten, ihr Geld zur Bank zu bringen.
Der Besitzer des Ipanema hatte Tommy eine perfekte Beschreibung von Rubens gegeben. »Und er hat eine sehr hübsche Tochter«, hatte er hinzugefügt.
»Dieser Mann hat mir das Leben gerettet«, hatte Tommy seinem Sohn erklärt, als Rubens die Tür aufmachte, aber der Junge hatte gar nicht zugehört. Er hatte Estrella entdeckt, die barfuß und mit einem Handtuch um das frisch gewaschene Haar gewickelt ins Wohnzimmer gekommen war und angefangen hatte, Ballettübungen zu machen.
»Oh, oh. Das Schicksal hat zugeschlagen«, hatte Tommy lachend ausgerufen, als er den hingerissenen Blick seines Sohnes bemerkt hatte. »So hat es mit Vanessa und mir auch angefangen: Bum!«
»Und? Wirst du mich vertreten?«, fragte Rubens jetzt. Im Fernseher über dem Tresen lief gerade eine Pressekonferenz der Abteilung für Hasskriminalität, die an der Federal Plaza abgehalten wurde. Im Hintergrund waren Fotos von der Stadtvilla der Familie Evans zu sehen. »Ich möchte, dass Estrella nichts zustößt. Ich stecke in großen Schwierigkeiten.«
»Neue Erkenntnisse in Mordfall«, lautete der Text am unteren Bildrand.
Tommy schob die Zeitungen weg. Sein Lächeln verschwand, und er wurde ernst. An seiner Unterlippe klebte ein Stückchen Spinat. »Nicht hier im Restaurant«, sagte er, während er mit dem Zeigefinger vor Rubens’ Gesicht herumfuchtelte. »Gehen wir ein Stück spazieren. Deinem Anwalt musst du alles erzählen. Später können wir jeden belügen, aber zwischen uns beiden herrscht absolute Ehrlichkeit. Das ist meine Bedingung, sonst läuft überhaupt nichts. Als Allererstes sagst du mir deinen richtigen Namen. Heißt du wirklich Rubens? Und deinen echten Nachnamen will ich auch
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