Todesspiel
Licht.
Zum Glück hatte er seine Uniform noch an, die war ihre Lebensversicherung. Er würde einfach als Polizist auftreten.
Selbst jetzt, um zwei Uhr früh, standen Männer mit langen Schnorcheln und mit Stahlschuhen beschwert im Wasser und betätigten die Unterwassersauger, mit denen Schlamm auf riesige Siebe an Deck gepumpt wurde. Die Siebe fingen ein Gemisch aus Schlick und Gold auf. Rubens hatte es schon hundertmal gesehen. An Deck schütteten zerlumpte Arbeiter, die meisten an Malaria erkrankt, das Zeug in leere Ölfässer, gaben Quecksilber dazu und formten dann mit den Händen Kugeln aus dem Gemisch. Anschließend legten sie die Kugeln in spezielle Pfannen und erhitzten sie mit Hilfe eines Schweißbrenners, so dass das Quecksilber verdampfte und nur flüssiges Gold übrig blieb.
»Bleib im Auto und verriegle die Türen, Estrella.«
Sie waren am Flussufer angelangt. Vor einer Ansammlung von Bruchbuden und elenden Kaschemmen lungerten Prostituierte herum, und dahinter standen jede Menge Lastwagen geparkt, deren Fahrer für eine schnelle, riskante Nummer einen kleinen Abstecher an den Fluss gemacht hatten.
Eine betrunkene Prostituierte erschien am Fenster der Beifahrertür. »Na, wie wär’s … Oh, sorry«, sagte sie, in der Annahme, Rubens’ Tochter hätte ihn gerade bedient.
Als Rubens ausstieg, lösten sich zwei magere Männer mit Montiereisen in der Hand aus dem Schatten und kamen auf ihn zu, zogen sich jedoch beim Anblick seiner Uniform gleich wieder zurück.
Die aus windschiefen Hütten bestehende Siedlung sah aus, als würde sie jeden Augenblick im Schlamm versinken. Rubens ging auf eine Kneipe zu, deren rosafarbene Wände mit halb geschmolzenen LPs dekoriert waren. Auf den dreibeinigen Barhockern saßen betrunkene oder ohnmächtige Goldsucher. Aus den offenen Fenstern im ersten Stock war »Eleanor Rigby« von den Beatles zu hören und das Lachen einer Frau.
Gott, dass Estrella das sehen muss.
Er ging zu einer kleinen, weißen Hütte hinüber. Die Gestalt, die davor im Schlamm lag, war zu fett, als dass es sich um den Mann handeln könnte, den er suchte. Vielleicht war der Typ besoffen. Möglicherweise war er auch tot, aber Rubens war nicht im Dienst und interessierte sich nicht dafür.
Dann wollen wir mal.
Die Tür war von innen verriegelt. Rubens klopfte an. Nach einer Weile rief eine verschlafene, mürrische Stimme: »Komm morgen wieder, wenn du weißt, was gut für dich ist, du Arschloch!«
»Staatspolizei!«, sagte Rubens.
Der knochige Mann, der die Tür öffnete, trug Boxershorts und schaute ihn entsetzt an. Auf dem Lehmboden brannte eine Petroleumlampe, und auf dem schmalen Bett lag eine Frau, die nichts als einen schwarzen BH anhatte. Sie wirkte leicht amüsiert. Eine Ratte huschte an der halb leeren Cachaçaflasche vorbei, die auf dem Boden stand.
»Wo ist er, Rooster?«, bellte Rubens. Verblüfft über Rubens’ Wut, wich der Mann ängstlich zurück.
Rooster Possuelo handelte mit falschen Papieren: Er luchste vom Pech verfolgten Minenarbeitern für eine Handvoll Cruzados ihre Ausweise ab, fälschte die Namen und verscheuerte die Dokumente an Männer, die vor der Polizei auf der Flucht waren.
Rubens schubste Rooster gegen die Wand, zertrat eine riesige Kakerlake und hielt ihm ein Foto unter die Nase, das er eine halbe Stunde zuvor von Rosas Schreibtisch in der Baracke der Minenarbeitergewerkschaft geklaut hatte. Es war ein Porträt von Rosas Bruder in Porto Velho, einem sympathischen, zufriedenen Mann. Einem Mann, den Rooster unmöglich kennen konnte.
»Wo ist er?«, fuhr er Rooster an.
»Den … den hab ich noch nie gesehen!«
Rubens murmelte ein kurzes Gebet, holte aus und rammte Rooster eine Faust in die Magengrube. Rooster krümmte sich und würgte. Die Frau auf dem Bett richtete sich neugierig auf, griff nach der Flasche und trank einen Schluck.
»Lüg mich nicht an, du Hurensohn!«
»Ich schwöre es, Rubens. Ich war die ganze Zeit hier mit meiner Süßen. Sag’s ihm, Sonja!«
Sonja rülpste.
»Du kommst mit mir«, herrschte Rubens ihn an. »Siehst du das Mädchen da in meinem Wagen?«
Rooster spähte in die Dunkelheit hinaus. Estrella saß weinend auf dem Beifahrersitz. Es war Rubens schwergefallen, sie allein zu lassen, aber sie wäre einfach nicht in der Lage gewesen, mit ihm die Schau hier abzuziehen.
»Das ist Cizinios Nichte. Dieser Mann hat sie vergewaltigt, und du hast ihm dabei geholfen!«
Als Rubens Cizinio erwähnte, von dem bekannt war, dass er es
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