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Todesspiel

Todesspiel

Titel: Todesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.Scott Reiss
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schlief.
    Ein Mord an einem Kleinkind war das Allerschlimmste, was sie sich vorstellen konnte. Dafür gab es keine Entschuldigung.
    »Der Täter hat an der Wand eine ziemlich beunruhigende Botschaft hinterlassen«, sagte Fulvio. »Deswegen haben wir den Fall bekommen. Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, Christa?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Frage verstand. Seit sie angefangen hatte, für ihn zu arbeiten, hatte er ihr tausend Dinge gesagt. Jetzt begriff sie, warum er sie angerufen hatte. Er wollte sie daran erinnern, dass er für sie seinen Hals riskiert hatte. Dass sein Job ebenfalls auf dem Spiel stand. Dass er ihr gegenüber der Untersuchungskommission die Stange gehalten hatte – womöglich aus ganz persönlichen Gründen. Dass er, falls sie noch einmal die Beherrschung verlor, ebenfalls seinen Job verlieren würde.
    »Ja, ich weiß es noch«, antwortete sie, bemüht, ruhig zu atmen und sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. Nachdem sie aufgelegt hatte, holte sie ihre Pistole aus dem Wandschrank.
    Ein kleines Kind, dachte sie. Sie fuhr zu schnell auf dem Weg nach Manhattan, mit eingeschaltetem Blaulicht, und nötigte die Fahrer auf der Verrazano Narrows Bridge, ihr Platz zu machen.
    Einer, der ein Kleinkind tötet, hatte es nicht verdient, zu leben.
    Sie war drauf und dran, in Tränen auszubrechen, doch es gelang ihr, sie zu unterdrücken. Das war der falsche Zeitpunkt für extreme Gefühle. Aber bald, dachte sie. Bald.
     

3
     
    Wenn sie es in dieser Nacht nicht aus Brasilien raus schafften, würden sie sterben, darüber war Rubens sich im Klaren.
    Rubens trat das Gaspedal durch und versuchte, vor sich auf der Dschungelstraße etwas zu erkennen, aber einer seiner Scheinwerfer war ausgefallen. Estrella saß weinend auf dem Beifahrersitz. Er durfte nicht an Rosa denken, an das brennende Haus. Jetzt, mitten in der Nacht, war die Straße menschenleer. Es war gefährlich, im Dunkeln hier entlangzufahren, nicht weil man mit Überfällen rechnen musste, sondern weil die Straße mit metertiefen Schlaglöchern übersät war, die tödliche Unfälle verursachen konnten.
    »Aber warum, fahren wir denn weg?«, fragte Estrella.
    Cizinio würde inzwischen wissen, dass Rubens nicht im Haus gewesen war, als das Feuer ausbrach. Er würde sich irgendeinen Vorwand ausgedacht haben, um über Funk eine Suchmeldung nach ihm durchzugeben.
    »Wir fahren zu den Goldsuchern«, erklärte er seiner zwölfjährigen Tochter. »Mama kommt später nach.«
    Estrella weinte nur noch heftiger. »Aber du hast doch gesagt, dass es da gefährlich ist!« Innerhalb der letzten fünfzig Minuten war ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt worden.
    »Ich will meine Mama«, jammerte sie wie ein kleines Kind.
    Warum habe ich Rosa bloß allein gelassen?, fragte sich Rubens.
    Im Licht des einen Scheinwerfers sah er etwas Gelbliches über die Straße huschen. Ein Jaguar, dachte er. Ein paar gab es noch. Rubens hatte das Auto vor dem Lokal der Minenarbeitergewerkschaft gestohlen, in dem Rosa gearbeitet hatte, einer Baracke im Zentrum der Stadt, wo Gewerkschaftsvertreter unter den Männern, die auf den Goldschiffen arbeiteten, um Mitglieder warben. Die Gewerkschaft sorgte dafür, dass Malariakranke ärztlich versorgt wurden, und organisierte die Beerdigung, wenn jemand bei der Arbeit ertrank oder von einem Rivalen erstochen wurde.
    »Bist du dir auch ganz sicher, dass Mama nicht im Haus war?«, fragte Estrella.
    Warum habe ich sie nicht geweckt und ihr gesagt, sie soll auf mich warten?
    Es brach ihm das Herz, Estrella anzulügen. Aber er konnte nicht riskieren, dass sie hysterisch wurde. Wenn sie erst einmal in Bolivien waren, würde er ihr die Wahrheit sagen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.
    Rubens bog von der Dschungelstraße auf einen schmalen, unbefestigten Weg ab. Das Autoradio funktionierte nicht, und er hatte keine Möglichkeit, die Nachrichten aus Rio Branco zu hören. Andererseits wäre sowieso alles gelogen.
    In einiger Entfernung war über den Baumwipfeln ein heller Schimmer zu sehen. Dann kamen sie um eine Biegung und vor ihnen lag eine schwimmende Stadt, Tausende von Lichtern auf Hunderten von Booten. Der Lärm, der ihnen entgegenschlug, stammte von Motoren, von Wasserpumpen und von Stromschnellen. Die auf dem ruhigen Teil des Flusses verankerten Dragas, Schwimmbagger mit dreistöckigen Aufbauten, sahen aus wie motorisierte Dinosaurier. Die leeren Hängematten der Goldsucher schaukelten gespenstisch im fahlen

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