Todesspiel
wissen.«
Rubens nannte Tommy seinen wahren Familiennamen. Die Vornamen hatte er nicht geändert, um Estrella die Eingewöhnung nicht so schwer zu machen.
Als sie die Straße entlangschlenderten, holte Rubens tief Luft, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und erzählte Tommy seine ganze Geschichte.
»Wo warst du?!«, fragte Tommy entgeistert. »Und was hast du dort getan?«
»Wo liegt dieser Standort C?«, fragte Tommy.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Bist du sicher, dass Evans gesagt hat: ›Washington ist ganz heiß darauf‹?«
»Ja, aber ich habe das Band verloren, als das Boot auf dem Weg nach Bolivien gekentert ist.«
»Hmm. Irgendwelche Deutschen hängen da also auch mit drin. Der Name Nestor ist zweimal gefallen. Und in Brasilien, sagst du, hat Evans von Gold und Drogen gesprochen?«
»Ja, und davon, wie leicht man im Dschungel etwas verstecken kann. Die Frau des Gouverneurs schien aber nicht zu glauben, dass das Ganze irgendwas mit Drogen zu tun hatte.«
»Hmm. Wie viele verdammte Standorte gibt es denn insgesamt? Immerhin haben wir das Logo mit dem Spatenblatt. Wir haben ein paar Namen. Und aus dem, was du aufgeschnappt hast, können wir schließen, dass Evans einen seiner Auftraggeber reingelegt hat. Wir haben die Botschaft, die an der Wand stand. Nur dass mir immer noch schleierhaft ist, was das alles mit Brasilien zu tun hat.«
Die beiden Männer waren den Ditmars Boulevard bis zum Riverside Park entlanggeschlendert und hatten sich unterwegs jeder eine Flasche kalte Limo gekauft, die sie in Papiertüten bei sich trugen. Sie setzten sich auf eine Bank mit Blick auf Hell’s Gate und den East River. Das Wasser war aufgewühlt, denn dort flossen der Long Island Sound, der East River und der Harlem River zusammen. Es war die gefährlichste Stelle im ganzen Hafen, aber die Aussicht war großartig.
»Evans hat Berichte über Terroristen geschrieben«, sagte Rubens, »die sich im Dschungel für Angriffe auf die Vereinigten Staaten vorbereiten.«
»Wer zum Teufel sind diese Typen auf dem Foto? Ich wette, die könnten uns sagen, was da vor sich geht.«
Am südlichen Ende des Parks, vor den Pfeilern der Queensboro Bridge, befand sich ein öffentliches Freibad. In der Julihitze hörte Rubens das fröhliche Geschrei von planschenden Kindern und sah die allgegenwärtigen Streifenwagen in der Nähe des Zauns. Seit dem ii. September wurden in den USA alle öffentlichen Einrichtungen von der Polizei bewacht. Was ihm an New York besonders gefiel, waren die gepflegten öffentlichen Plätze. Manchmal kam es ihm so vor, als würde sich der Unterschied zwischen armen und reichen Ländern vor allem in der Sorgfalt zeigen, die die wohlhabenden Länder ihren Straßen, Brücken und Parks zukommen ließen.
»Was wir haben«, sagte Tommy, während er eine Mandarine schälte, »sind unzusammenhängende Einzelteile. Die DEA, Radar, Terror und Washington. Dschungelkämpfe. Und ein ermordeter Gouverneur.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Es wäre nicht das erste Mal, dass so was passiert. Als Torrijos, der Präsident von Panama, nicht nach ihrer Pfeife tanzte, haben sie ihn ermordet und Allende in Chile ebenfalls.«
»Ah, wer?«, fragte Rubens.
»Die Oligarchie, Mann. Wenn man die noch fünfzig Jahre gewähren lässt, machen die aus diesem Land hier die Vereinigten Staaten von Argentinien. Dann stehen die Leute wieder für Brot an, und es gibt Hungeraufstände wie damals, während der Depression. Keiner hält es für möglich. Aber die Angehörigen der reichen Familien werden aussehen wie die Figuren in den Gemälden von Botero. Der Bruder X ist Senator, der Bruder Y ist Bischof, und der Bruder M leitet das Konsortium. Die kleinen, dicken Kinder werden erwachsen und rollen in die für sie vorgesehenen Machtpositionen wie Murmeln in ihre Kuhlen.«
»Du redest ja wie ein Kommunist, Mann.«
»Ach wo, die nennen ihre Oligarchie einfach nur Zentralkomitee.«
»Du bist auch dick«, sagte Rubens, »und ich kapiere nicht, wovon du redest.«
»Das kapiert nie einer.«
»Aber du glaubst mir meine Geschichte.«
»Hey, du gehörst schließlich zur Familie. Unsere Kinder werden den heiligen Bund der Ehe eingehen. Und unsere Enkel werden uns das Leben versüßen, wenn wir alt und impotent sind.«
»Wenn ich immer noch Polizist wäre, könnte ich Leute vernehmen.«
»Keine Sorge, du wirst auch so Leute vernehmen«, sagte Tommy, während er sein Handy aus der Tasche nahm. »Du wirst dich mit einem ganzen Netzwerk
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