Todesspiel
danken. Ebenso möchte ich den Mitarbeitern des Roten Kreuzes und der UNESCO für ihre Unterstützung danken und Ihnen, meine Damen und Herren Journalisten, die über humanen Kapitalismus berichten werden. Manchmal können wir auch gute Menschen sein, Leute.«
Einige Journalisten lachten. Der Leibwächter sagte ein paar Codewörter in das Mikrofon an seinem Revers. Die Rede war fast beendet, und er hatte veranlasst, dass Jacks Limousine vorgefahren wurde. In zwei Minuten, das wusste der Leibwächter, würde Nestor seine Wut an ihm auslassen. Denn wie sie durch den Anruf aus Washington erfahren hatten, war alles, wofür Jack Nestor arbeitete, in Gefahr, weil der Leibwächter einen Fehler gemacht hatte.
Westlich der Lagerhalle befand sich der Flughafen Newark, wo die Hilfsgüter in große C-54-Hercules- Frachtflugzeuge verladen würden. Drinnen, in der Hitze, tobte der Applaus. Jacks hinreißende und selbstsichere Ehefrau Tina, ein ehemaliges Model, posierte lächelnd in einem gespendeten Regenmantel für den Fotografen des New York Magazine. Ihr zehnjähriger Sohn Ralph, der Erbe, hielt ihre Hand und aß einen Müsliriegel.
»Wie ist es möglich, dass Sie nicht in dem verdammten Wandschrank nachgesehen haben, Cizinio?«, fauchte Nestor, als sie in die Limousine stiegen. Im Innern des Wagens herrschten siebenundzwanzig Grad. Nestor hatte es gern warm.
Die Trennscheibe aus dickem, schallisolierendem Plexiglas war geschlossen. Der Wagen rumpelte über Eisenbahnschienen am Hafen, durch das Tor im hohen Zaun, vorbei an dem Spatenlogo mit dem Kreuz in der Mitte, an den Sicherheitsleuten, die das Gelände mit Rottweilern patrouillierten, und auf die Interstate 95 in Richtung Norden, über die Brücke zurück zu den Wolkenkratzern von Manhattan.
»Es tut mir leid, Padrone.«
Nestor seufzte und tätschelte Cizinios Schulter, während er langsam ein- und ausatmete. »Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich Sie so angefahren habe mein Freund. Ich bin einfach zu angespannt. Aber ich verdanke Ihnen so viel.«
Bei Nestor war man immer besser beraten, die Wahrheit zu sagen. »Sie haben gesagt, die CDs und die Unterlagen würden sich im Schreibtisch befinden. Die habe ich alle gesichert. Aber unter dem Bett habe ich auch nicht nachgesehen, Padrone.«
Nestor grunzte , das war natürlich logisch. Seine dicken Backen bekamen rote Flecken, wenn er sich auf regte. In der Limousine roch es nach teurem Leder und leicht nach Hamburgern von McDonald’s, die Nestor mit Vorliebe in sich hineinstopfte, wenn Tina nicht in der Nähe war.
Nestor sagte: »Wer auch immer in dem Haus war, hat nichts gestohlen. Er hat weder die Polizei noch das FBI verständigt. Er ist einfach abgehauen. Warum?«
Sie waren unterwegs in die 43 rd Street, wo Nestor sich mit Männern und Frauen aus Washington und Geldgebern aus Übersee treffen würde. Als Leibwächter bekam er nur bruchstückhaft mit, was vor sich ging. Aber er wusste, dass für die kommende Woche jede Menge Besuche, Termine mit Anwälten, Partys und Besprechungen geplant waren. Die Anzahl der Bodyguards war erhöht worden.
Irgendetwas Besonderes stand bevor, daran bestand kein Zweifel. Etwas ganz Großes.
»Niemand verschwindet einfach so. Für wen arbeitet der Typ?«, überlegte Nestor laut.
Als Cizinio Nestor zum ersten Mal begegnet war, hatte er den Nordamerikaner für einen leicht zu manipulierenden reichen Sack gehalten. Dann hatte er zu seiner Verwunderung festgestellt, dass er, ohne es zu wissen, schon seit Jahren für den Mann gearbeitet hatte.
Er dachte an sein früheres Leben zurück, als er der große Mann in einem kleinen Ort gewesen war, der gefürchtete Polizist, der Viehzüchtern und Politikern Gefälligkeiten erwies. Als Gegenleistung ließen sie ihn tun, was er am liebsten tat – anderen Schmerzen zufügen. Zum Dank für seine Dienste hatte man ihn zu dem Geheimdienstlehrgang nach Washington geschickt, und selbst das hatte sich letztlich als Test entpuppt.
Während Sie in den USA sind, werden Sie einen Anruf erhalten, Cizinio. Tun Sie, was man Ihnen sagt.
Tagsüber hatte Cizinio neben dem eifrigen Rubens im Unterricht gesessen, und nachts hatte er gefährliche Aufträge ausgeführt. »Verpassen Sie dem und dem aufmüpfigen Journalisten einer brasilianischen Zeitung eine gehörige Abreibung. Gehen Sie in den und den Plattenladen, und erschießen Sie den ausländischen Besitzer; lassen Sie es aussehen wie einen Raubmord.«
Cizinio hatte nie erfahren, was es mit
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