Todesspur
Entwicklungen auf dem laufenden.«
»Ich werde aufpassen …«
Dem untersetzten Mann wurde klar, daß die Verbindung unterbrochen war. Typisch. Er hatte Norton nie zu Gesicht bekommen, immer nur seine rauhe amerikanische Stimme am Telefon gehört. Er hatte einmal einem anderen Angehörigen der Truppe gegenüber eine Bemerkung darüber gemacht.
»Dein Glück«, hatte sein Kollege erklärt. »Niemand weiß, wie er aussieht. Wenn du Norton je begegnen solltest, weißt, wer er ist, dann bist du tot…«
Bei Newmans Wohnung gegenüber der Kirche von St. Mark’s angekommen, bat Dyson den Taxifahrer, auf ihn zu warten. Eine elegante Blondine kam an die Tür, forderte ihn aber nicht zum Eintreten auf. Dyson zeigte ihr einen alten Presseausweis mit seinem Foto.
»Tut mir leid, wenn ich störe. Ich bin Joel Dyson, ein alter Freund von Bob Newman. Ich muß ihn dringend sprechen.
Er erwartet mich«, log er.
»Davon hat er nichts gesagt.«
»Natürlich nicht. Unsere Geschäfte sind vertraulich. Und dringend«, wiederholte er. »Es geht um Leben und Tod.«
Meinen Tod, dachte er. Die Blondine betrachtete den Presseausweis, musterte ihn, schien nicht recht zu wissen, wie sie reagieren sollte. Sie gab ihm den Ausweis zurück, und Dyson rang sich ein Lächeln ab. Sie erwiderte das Lächeln nicht, aber sie nickte.
»Haben Sie etwas, worauf Sie sich eine Adresse notieren können? Er ist bei der General & Cumbria Assurance Company am Park Crescent. Von hier aus zwanzig Minuten per Taxi.«
Er dankte ihr, nachdem er die Adresse in sein Notizbuch gekritzelt hatte, und eilte, mit der Kamera über der Schulter, zurück zu seinem Taxi, wo er dem Fahrer eine Adresse in Soho nannte. Auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt hatte er mehrmals durch das Heckfenster geschaut, aber den grauen Volvo nicht bemerkt, der mit einem Wagen Abstand hinter dem Taxi herfuhr. Er hegte kaum irgendwelche Befürchtungen, daß man ihm folgen könnte.
Joel Dyson hatte die Energie und die Möglichkeiten der Macht, die hinter ihm her war, erheblich unterschätzt. Während des elfstündigen Fluges von Los Angeles nach London war seine Wohnung durchsucht und das Unterste zuoberst gekehrt worden. Alle großen kalifornischen Flughäfen waren überwacht worden – daher der schnelle Kontakt mit Nick Rossi. Zwischen den Vereinigten Staaten und Europa hatten die Drähte gesummt, und es waren alle Vorbereitungen für seinen Empfang getroffen worden. Seine Identität hatte man mit Hilfe des Recorders festgestellt.
Auf der Fahrt nach Soho dachte Dyson darüber nach, welchen Wert der Videofilm und das Tonband hatten. Fünf Millionen Dollar? Nein, mindestens zehn Millionen. Wenn ihm die völlige Vernichtung drohte, würde der Mann Mittel und Wege finden, das Geld locker zu machen. Joel war in Hochstimmung, als er in einer Straße in Soho das Taxi verließ. Den grauen Volvo, der langsamer wurde und dann gleichfalls anhielt, bemerkte er nicht.
»Ich brauche Ihren Kopierraum für einen Videofilm und ein Tonband, Sammy. Und ich hab’s verdammt eilig«, erklärte Dyson dem Besitzer des Ladens.
Nach außen hin schien es sich um ein Geschäft zu handeln, das Softpornos verkaufte, aber Dyson kannte London gut und hatte sich der technischen Einrichtungen des Mannes schon öfter bedient.
»Das kostet aber eine Kleinigkeit, mein Freund«, sagte Sammy schnell. »Ich lasse nicht jeden an meine Geräte. Und außerdem einen Zuschlag, wenn es illegal ist, was ich annehme.«
»Achten Sie auf die Tür. Ich will nicht gestört werden«, erklärte Dyson. »Und hier ist Ihr Geld.«
Bevor er im Hinterzimmer verschwand, warf Dyson zwei Hundert-Dollar-Scheine auf den Tresen. Sammy, ein Buckliger mit karottenfarbenem Haar, unterdrückte ein überraschtes Pfeifen. Er hielt die Scheine gegen das Licht. Sie sahen aus, als wären sie okay.
Als Dyson aus dem Hinterzimmer zurückkehrte, steckten vier Kassetten in seiner Reisetasche. Zwei Originale – Video und Tonband – und von jedem eine Kopie. Er nickte Sammy zu, trat auf die Straße hinaus, winkte ein vorbeifahrendes Taxi herbei und forderte den Fahrer auf, ihn zum Park Crescent zu bringen.
Dyson hatte in dem Moment, in dem das erste Taxi die Beresford Road verließ, einen weiteren impulsiven Entschluß gefaßt und sich für Sammys Laden in Soho als erstes Ziel entschieden. Es war wesentlich sicherer, wenn er von Film und Tonband zwei Exemplare hatte, von denen je eines in London versteckt wurde und das andere in Zürich.
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