Todesträume am Montparnasse
Fremdenlegion lief, wie gesagt, Ende Februar 1991 aus.«
»Was hat er danach gemacht?«
»Darüber konnten sie in Marseille keine Auskunft geben.«
LaBréa schenkte sich aus einer Thermosflasche Kaffee ein. »Hat er sich während seiner Dienstzeit irgendetwas zuschulden kommen lassen? Gab es mal ein Disziplinarverfahren?«
»Nichts dergleichen. Seine Personalakte bei der Legion ist absolut sauber. Er galt als guter Soldat, als sehr kameradschaftlich und hat es durch Beförderungen bis zum Caporal-Chef gebracht, das ist der höchste Mannschaftsdienstgrad.«
»Was ist mit Kriegsverbrechen, Folterungen, Übergriffen auf die Zivilbevölkerung?«
Jean-Marc schüttelte grinsend den Kopf.
»Falls Masson an solchen Dingen beteiligt gewesen sein sollte, Chef, steht das bestimmt nicht in seiner Personalakte.«
»Stimmt«, meinte Claudine. »Die Folterspezialisten im Algerienkrieg hatten auch eine einwandfreie Personalakte.«
»Keine Schlägereien mit seinen Kameraden, keine anderen Gewalttätigkeiten?«, fuhr LaBréa fort. »Immerhin wurde Masson zwischen 1999 und 2001 zweimal wegen Körperverletzung verurteilt.«
»Richtig«, sagte Jean-Marc. »Das erste Delikt beging er im Frühjahr 1999, sechs Wochen nachdem er die Werkstatt übernommen hatte. Doch er bekam eine Bewährungsstrafe. Nach vier Wochen Untersuchungshaft kam er wieder auf freien Fuß.«
»Interessant ist, dass er während seiner Dienstzeit eine spezielle Ausbildung machte«, fuhr Franck fort. »Und zwar als Automechaniker. Das erklärt, wieso er die Reparaturwerkstatt hier in Paris kaufte.«
»Ja, aber was hat er in der Zeit dazwischen gemacht?« LaBréa blickte seine Mitarbeiter der Reihe nach an. »Zwischen seinem Ausscheiden aus der Legion im März 1991 und dem Kauf der Werkstatt 1999? Jean-Marc, haben Sie Näheres herausgefunden? Hat er Verwandte, die uns weiterhelfen können?«
Der Paradiesvogel klappte sein Notizbuch auf.
»Zunächst habe ich im zentralen Melderegister nachgesehen. Pascal Masson war in Frankreich das letzte Mal 1986 polizeilich gemeldet, bevor er bei der Legion anheuerte. Und zwar in Lille, da hatte er seinen ersten Wohnsitz bei seiner Großmutter. Seine Mutter war bereits 1974 gestorben, der Vater hatte
die Familie gleich nach der Geburt des Jungen verlassen, und Masson wuchs bei seiner Großmutter auf. Doch die lebt ebenfalls nicht mehr, sie verstarb Mitte der Neunzigerjahre. Ob Masson je zu seinem Vater Kontakt hatte, müsste erst noch recherchiert werden. Die nächste polizeiliche Anmeldung findet sich erst wieder im Juli 1999, Rue Chrétien de Troyes Nummer elf, im Zwölften Arrondissement. Die Adresse der Autowerkstatt und der darüberliegenden Wohnung.«
»Hm.« LaBréa lehnte sich zurück. »Daraus könnte man ableiten, dass er während dieser acht Jahre nicht in Frankreich gelebt hat.«
»Oder nicht angemeldet war«, warf Franck ein.
»Auf jeden Fall klafft in seinem Lebenslauf eine Lücke von acht Jahren«, bemerkte Claudine, »und es dürfte schwierig sein, sie zu schließen. Man müsste europaweit, vielleicht sogar weltweit nachforschen, wo Masson sich in dieser Zeit aufgehalten hat.«
»Und die Nachbarn, Jean-Marc? Hat ihn jemand gekannt?« LaBréa verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Der Leutnant verneinte.
»Fehlanzeige. In der Nachbarschaft erinnert man sich nur vage an ihn. Bevor er vor zwei Jahren ins Gefängnis kam, hat der Besitzer des Tabakladens an der Ecke ihn öfter gesehen. Aber das war auch schon alles.«
»Und Kunden der Werkstatt?«
»Die Kundenkartei habe ich mitgenommen. Heute Nachmittag fange ich an, die Namen durchzugehen.«
»Was war nach Massons Entlassung gestern Morgen? Hat ihn jemand vom Gefängnis abgeholt?«
»Das weiß niemand. Vielleicht wurde er in einem Privat-Pkw abgeholt, vielleicht nahm er ein Taxi. Valdez hat vorhin einige Taxiunternehmen angerufen. Bisher Fehlanzeige. Aber Valdez bleibt dran.«
»Er kann auch die Métro genommen haben«, meinte Claudine. »Die Stationen St. Jacques und Denfert-Rocherau sind nicht weit von der Santé entfernt.«
»Es sieht jedenfalls aus, als sei er nach seiner Entlassung möglichst schnell und unauffällig verschwunden.« LaBréa wandte sich erneut an Franck. »Noch zwei Fragen: Was hat es mit diesem ›Camerone‹ auf sich, diesem Gedenktag der Legion? Und auf dem Foto steht ein Datum: 30. April 1991. Sagt uns das irgendwas?«
Erneut blätterte Franck in seinen Unterlagen.
»Am 28. Februar 1991 wurde am Golf der
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