Todesträume am Montparnasse
Vergewaltigung in der Ehe . Sie gilt als militante Feministin, womit sie heutzutage beinahe so etwas wie ein Fossil ist, was ihrer Beliebtheit bei den Studenten allerdings keinen Abbruch tut.«
»Sie hat ja einen Sohn. Ist sie verheiratet?«
»Ja, und zwar mit einem prominenten Wissenschaftler. Professor David Payan, bis vor Kurzem Biochemiker am Institut Pasteur. Seit einem halben Jahr hat er einen Forschungsauftrag in den USA. Er gilt als heißer Anwärter auf den Nobelpreis.«
»Ich danke dir für deine Mühe, Véronique.«
»Gern geschehen. Hoffentlich nützen dir die Informationen etwas.«
»Das weiß ich noch nicht. Jedenfalls bestätigen sie das, was ich bereits vermutet habe: Christine Payan hat militante Standpunkte, die sie offensichtlich auch in ihrer Arbeit vertritt.«
Kaum war das Gespräch beendet, klingelte LaBréas Handy erneut. Jean-Marc hatte bei seinen Recherchen rund um die Rue du Château d’Eau, dem letzten Tatort, einen Volltreffer gelandet. Der Wirt einer Kneipe kannte den unbekannten Toten aus der Fabriketage.
»Wie heißt diese Kneipe?« LaBréa war wie elektrisiert. »Bistro La Renaissance ? Liegt das gleich neben dem Theater? Gut, Claudine und ich sind ganz in der Nähe. Wir kommen sofort.«
Das Theater La Renaissance war LaBréa noch von früher bekannt. Als junger Inspektor war er einige Male mit Véronique Andrieu dort gewesen. Auf dem Programm standen damals Lustspiele von Feydeau und Goldoni, politisches Kabarett und Sketche. Seitdem schien sich das Repertoire nicht wesentlich
verändert zu haben. Die Plakatierung der Schaukästen kündigte ein Zweipersonenstück an, eine Komödie.
Das Bistro nebenan war gleichzeitig Café, Kneipe und Theaterrestaurant. Jetzt, am späten Vormittag, war nur wenig Betrieb. Zwei Techniker der EDF standen am Tresen und tranken ein Bier, das eine junge Kellnerin ihnen gezapft hatte.
In der hinteren Ecke des Lokals saß Jean-Marc mit dem Wirt, einem schwergewichtigen Mann mit Backenbart und Halbglatze.
»Monsieur Fuentes«, stellte Jean-Marc ihn vor. LaBréa und Claudine nahmen am Tisch Platz.
»Ich habe Monsieur Fuentes die Fotos gezeigt. Er hat den Mann aus der Rue du Château d’Eau vorgestern Abend gesehen, Chef. Und dieser war nicht allein!« Der Paradiesvogel zog das Camerone-Foto und das Polaroid des Unbekannten aus der Tasche und legte beides auf den Tisch. »Bitte, Monsieur Fuentes, erzählen Sie.«
Der Wirt schnaufte, beugte sich schwerfällig nach vorn und deutete auf den Unbekannten in der Fliegerkombination, Fünfter von links, dann auf das Polaroid des Leichnams. »Dieser Mann war am Montag, also vorgestern, hier im Lokal, und zwar zusammen mit dem da.« Er zeigte auf Pascal Masson. »Der mit den hellen Haaren. Auf dem Foto hier sehen beide natürlich viel jünger aus, aber ich bin hundertprozentig sicher, dass es diese beiden waren.«
»Kannten Sie sie? Haben Sie sie vorher schon einmal gesehen?«
»Den großen Blonden kannte ich nicht. Aber der andere, der war vorher schon ein paarmal hier.«
»Wann war das?«
»In den letzten Monaten.«
»Können Sie das etwas genauer sagen? Wann war er zum ersten Mal hier? Vor drei Monaten, sechs, oder acht?«
Der Wirt legte seine Stirn in Falten und überlegte.
»Das muss im letzten Sommer gewesen sein, dass er mir auffiel. Er saß nämlich an einem der Tische drau ßen und trank Wodka pur. Ich wunderte mich und dachte, wie verträgt das einer bei der Hitze? Danach ist er mindestens noch ein Dutzend Mal hier gewesen.«
»Kennen Sie seinen Namen? Seine Adresse?«
Der Wirt schüttelte den Kopf und gab dem jungen Mädchen hinter dem Tresen einen Wink. »Einen gro ßen Crême«, rief er und wandte sich dann an LaBréa und dessen Mitarbeiter. »Für Sie auch einen Kaffee, meine Herrschaften? Geht selbstverständlich aufs Haus.« Während Claudine und LaBréa verneinten, nahm Jean-Marc das Angebot gern an.
»Nein.« Der Wirt knüpfte an das Gespräch an. »Keine Ahnung, wie der Mann heißt. Mir ist nur aufgefallen, dass er einen starken Akzent hatte.«
»Was für einen Akzent?«, fragte LaBréa.
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Für mich klang das wie Russisch. So sprechen Russen
oder Polen. Vor ein paar Jahren gab’s hier’ne Menge davon. Von daher ist mir der Akzent noch sehr gut im Ohr. Inzwischen ist das ganze Viertel leider Gottes vorwiegend von Schwarzen bevölkert. Sie wissen, was ich meine.« Er zog verächtlich die Nase hoch. Das junge Mädchen
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