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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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Kriegsverbrecher und wird vielleicht sogar vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesucht? Er muss doch einen Grund gehabt haben, unter falschem Namen zu leben.«
    LaBréa dachte nach. »Ja, das könnte eine Möglichkeit sein! Setzen Sie sich gleich mal mit dem Tribunal in Verbindung. Die haben doch sicher eine Homepage.«
    »Ganz bestimmt. Aber ich glaube nicht, dass ich da heute noch jemanden erreiche. Auf jeden Fall schicken wir denen Stéphane Blancs Fingerabdrücke und die beiden Fotos. Das vom Camerone 1991 und das Polaroid, das nach seinem Tod aufgenommen wurde. Vielleicht ist das eine Spur.«
     
    Zehn Minuten später verließ LaBréa das Dienstgebäude. Die Nacht war kalt, aber es schneite nicht mehr. Ein paar dunkle Wolken hingen am Himmel.
    Zu Hause erwartete ihn niemand. Jenny übernachtete bei ihrer Freundin Alissa in der Brûlerie. Und Céline … Céline hatte sich den ganzen Tag nicht bei ihm gemeldet. Auch er hatte nicht versucht, sie in
Barcelona anzurufen. Er hatte sich vielmehr entschlossen, den Gedanken an Céline beiseitezuschieben und den Abend so zu verbringen, wie er es seit Jocelyns Anruf am Nachmittag insgeheim vorgehabt hatte.
    Er würde ihre Einladung zum Abendessen annehmen. Zu ihr nach Hause fahren. Den Duft ihres Parfüms einatmen, in ihre unter den halb geschlossenen Lidern hervorblitzenden Augen blicken, die Linie ihres Mundes erforschen. Diese Vorstellungen erregten ihn immer wieder aufs Neue und ließen alles andere verblassen. Er war Céline keine Rechenschaft schuldig! Und außerdem - sie musste von dem Besuch bei Jocelyn ja nicht unbedingt etwas erfahren. Wer weiß, mit wem sie selbst den heutigen Abend, vielleicht sogar die Nacht, in Barcelona verbrachte?! Dieser Juan, ihr Galerist, war ein gut aussehender und faszinierender Mann, das hatte sie LaBréa gesagt. Juan, Don Juan … Galten die Spanier nicht als heißblütige Frauenverführer? Vielleicht gab es zwischen ihm und Céline mehr als eine berufliche Verbindung?!
    LaBréa ging zur Place St. Michel, kaufte an einem Blumenstand einen Strauß gelber Rosen und nahm ein Taxi. Er hatte Jocelyn zuvor angerufen und zugesagt. Wenig später setzte der Fahrer ihn in der Rue de Vaugirard ab. Jocelyns Wohnung befand sich in einem schönen Fin-de-Siècle-Bau, gleich gegenüber von einem der Eingänge zum Jardin du Luxembourg. Jocelyn hatte ihm den Türcode gegeben. LaBréa tippte
die Zahlen ins Tableau, und die schwere Holztür sprang auf.
    Er spürte Herzklopfen, als er die Treppen hochging.
    Wie ein Pennäler, dachte er und musste lächeln. Wie damals an der Côte d’Azur, als er mit Jocelyn die erste Nacht am Strand verbrachte …
    Die Tür im zweiten Stock war bereits geöffnet, und Jocelyn erwartete ihn. Sie trug eine dunkelblaue Seidenbluse mit dezentem Ausschnitt und eine enge weiße Hose. Die blonden Haare fielen ihr verschwenderisch über die Schultern und verliehen ihr einen Hauch von Femme fatale.
    Aus der Wohnung drangen der Geruch eines wunderbaren Essens und die Klänge einer Jazzplatte. Rodrigos Concierto de Aranguez , gespielt von Miles Davis.
    Woher wusste Jocelyn, dass dieses Konzert eines der Lieblingsstücke in seiner Jazzsammlung war?
     
    Von der Kirche St. Sulpice erklang ein Glockenschlag. Halb fünf, es war Donnerstagmorgen, der zweiundzwanzigste Januar. Noch war die Stadt nicht erwacht. LaBréa erinnerte sich an einen alten Schlager. Il est cinq heures, Paris s ’ éveille, il est cinq heures, je n ’ ai pas sommeil …, so lautete der Refrain. Als der Song populär war, war LaBréa noch ein Junge gewesen, doch die Melodie wurde überall gespielt und galt als Ohrwurm. Wer hatte dieses Lied gesungen? Er wusste es nicht mehr.

    Die Hände in den Taschen seiner Lederjacke vergraben, schlenderte er Richtung Odéon. Kein Mensch war auf den Straßen zu sehen. Immer noch blies ein eisiger Wind. LaBréa schätzte die Temperatur auf etwa minus fünf Grad.
    Jocelyn hatte angeboten, ein Taxi zu rufen, doch LaBréa wollte zu Fuß nach Hause gehen. Er liebte Paris bei Nacht. Nicht die quirlige Glitzerwelt des Boulevard de Clichy oder anderer Amüsierviertel. Nein, die verlassenen Straßen, auf denen kaum Autos fuhren. Die dunklen Häuserfassaden, hinter denen Menschen schliefen, sich liebten, einander fremd waren. Die Seinebrücken, deren Schatten auf den Fluss fielen und vom Wasser hin und her geschaukelt wurden. Den dunklen Nachthimmel, jetzt sternenklar.
    Seine Stadt.
    Langsam kehrte er in die

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