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Todeswald

Todeswald

Titel: Todeswald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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flüchtete ich schnellstens in die Sicherheit und Geborgenheit hinter der verschlossenen Haustür.
    Normalerweise steht mein Fahrrad immer hinterm Haus im Freien, aber diesmal trug ich es ins Haus, durch die Waschküche in die Garage.
    Erst dort, als mein Herz sich allmählich beruhigt hatte, sah ich mir das Fahrrad genauer an. Und bekam einen Schock.
    Das war nicht mein Fahrrad!
    Zwar war es blau-weiß gestreift. Außerdem war es die gleiche Marke und hatte auch drei Gänge, genau wie meins. Aber der Sattel und der Gepäckträger waren viel verschlissener.
    So eine Pleite!
    Also nichts wie zurück damit. Aber heute Abend nicht mehr.
    Ich stellte das Fahrrad in die hinterste Ecke und löschte das Licht.
    Erst jetzt fiel mir auf, dass meine Eltern mich nicht mit strengen Blicken auf die Uhr in der Diele erwarteten.
    Ich suchte kurz nach ihnen. In Mamas Arbeitszimmer war Licht. Ruhige klassische Töne drangen heraus.
    Arbeitete sie immer noch? Jetzt? Und was war mit Papa?
    Ich klopfte an und trat ein.
    Wuff stürmte mir entgegen. Sie hielt einen von Mamas Pinseln im Mund und raste begeistert um mich herum.
    Mama stand vor einem hohen, total blauen Bild. Sie musterte es nachdenklich.
    Papa saß auf dem Boden. Neben ihm stand ein halb ausgetrunkenes Weinglas.
    „Ist sie nicht unheimlich talentiert, deine Mama?“, fragte er.
    Seine Augen funkelten wie in jungen Jahren auf den Fotos in meinem Album. Und in diesem Moment ging mir auf, dass er immer noch sehr verliebt in meine Mutter war.
    Ich wollte ihm nicht böse sein. Ich wollte, dass alles so war wie immer. Dass wir miteinander redeten, Quatsch machten und lachten.
    „Na klar. Megatalentiert.“
    Ich besah mir das Bild.
    „Was stellt es dar? Den Himmel?“
    Mama wandte sich lächelnd um und nickte.
    „Aber es ist noch nicht fertig.“
    „Verstehe. Die Wolken fehlen noch.“
    „Da siehst du, Stella“, sagte Papa. „Nisse hat dein Talent geerbt.“
    Mama tupfte ein kleines weißes Wölkchen in die obere Ecke.
    Zufrieden nickend betrachtete sie das Ergebnis.
    „Typischer Sommerhimmel“, sagte ich. „Ist Wuff schon draußen gewesen?“
    „Ja, wir haben zu dritt einen Spaziergang gemacht“, sagte Mama. „Wie war der Film?“
    „Gut.“
    „Wovon hat er gehandelt …?“
    Ich unterbrach sie. Teils, weil ich die Frage nicht hätte beantworten können, teils, weil ich eine eigene Frage hatte.
    „Mama, hast du außer meinem und deinem noch andere Fahrräder bemalt?“
    Sie legte die Stirn in Falten, während sie überlegte, doch dann erhellte sich ihre Miene.
    „Ja, natürlich. Mein altes. Aber das hab ich verschenkt.“
    „Wem?“
    Ich wusste schon, was sie antworten würde.
    „Dieser schrulligen alten Tante, die hinten im Wald wohnt. Ich hab beobachtet, wie sie ihre schweren Taschen den langen steilen Berg vom Laden raufschleppte, und dachte, wenn sie ein Fahrrad hätte, könnte sie die Taschen wenigstens an den Lenker hängen.“
    Also war es Mamas Geschenk, das ich geklaut hatte!
    Sobald es gefahrlos möglich war, musste ich das Fahrrad schnellstens zurückbringen.
    Mama sah auf die Uhr.
    „Du kommst übrigens ziemlich spät.“
    „Bin schon eine Weile da, hab mir aber zuerst noch in der Küche ein Brot gemacht. Jetzt hau ich mich gleich aufs Ohr. Komm, Wuff!“
    Ich witschte hinaus, bevor Mama dazu kam, aus meiner Lüge die Luft rauszulassen.
    „Svea!“, rief Papa hinter mir her, als ich schon Begriff war, die Tür zu schließen.
    Ich hoffte, er würde mir eine Erklärung für den Glassplitter liefern, den ich gefunden hatte.
    „Vergiss nicht, die Uhr eine Stunde zurückzustellen. Ab heute Nacht haben wir Winterzeit.“
    Wir sahen einander kurz an.
    „Hast du Mama gestern Abend bei Elin abgeholt?“, fragte ich.
    „Er hat mich vom Bahnhof abgeholt“, antwortete Mama an seiner Stelle.
    Ich dachte an das Auto gestern Abend im Wald. Der Motor hatte wie Papas Volvo geklungen.
    „Eigentlich sind wir wohl diejenigen, die dich verhören sollten, was du so alles treibst“, sagte Papa halb im Spaß, halb im Ernst.
    „Gute Nacht!“, sagte ich nur.

KAPITEL 25
    Am Sonntag saß ich während der schläfrigen Nachmittagsstunden am Schreibtisch und versuchte mir englische Vokabeln einzuprägen, als plötzlich mein Handy lostrompetete.
    „Hallo, hier ist Moritz Kwist.“
    „Äh … ja, hallo! Woher haben Sie meine Nummer?”
    „Du hast mich doch angerufen“, bemerkte er trocken. „Und das ist der Grund meines Anrufs. Ich muss mich doch sehr darüber

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