Todeswald
benutzte.
Daher schwieg ich.
Und das tat Linus auch.
In Älvsjö war irgendwas mit der Weiche nicht in Ordnung, darum kamen wir so spät ins Kino, dass wir gerade noch auf den letzten Drücker Karten, Popcorn und Getränke kaufen konnten, bevor der Film anfing. Erst als wir auf unseren Plätzen saßen und die Musik aus den Lautsprechern dröhnte, fiel mir ein, dass ich eigentlich auch mal den Mund aufmachen müsste.
„Willst du was?“
Ich reichte ihm den Becher, der von Popcorn fast überquoll.
Genau im selben Moment drehte Linus sich mit seinem überquellenden Becher voll knuspriger Baconchips zu mir um.
Das gab natürlich einen Zusammenstoß. Rings um uns herum regnete es Popcorn und Baconchips. Ein paar davon landeten im Kragen des glatzköpfigen Herrn vor mir.
„Was zum Teufel!“, knurrte er.
Empört drehte er sich zu uns um und begann sich dabei wild im Nacken zu kratzen und Brösel von sich abzuwischen.
„Ent-Entschuldigung“, stammelte ich.
„Was sind das denn für Manieren?!“
„Tut mir leid.“
„Verdammte Idioten!“
„Sie hat sich entschuldigt“, sagte Linus ruhig.
Die Frau, die neben dem aufgebracht fluchenden Mann saß, legte ihm eine beruhigende Hand auf den Arm. Er wandte sich wieder nach vorn, murmelte irgendetwas, das im Lärm der Lautsprecher unterging, und kratzte sich immer wieder irritiert im Nacken.
Ich sah, dass zwischen Kragen und Hals noch Popcorn lag, bremste aber meinen Impuls, ihm beim Herausgraben behilflich zu sein. Das hätte seine Stimmung kaum gehoben.
Linus wand sich neben mir auf seinem Sitz vor unterdrücktem Lachen. Ich traute mich nicht, zu ihm rüberzuschauen, weil ich sonst sofort losgeprustet hätte.
Meiner Ansicht nach fing unser Date recht vielversprechend an.
„Guter Film“, meinte Linus hinterher.
„Mhm“, sagte ich.
Das war die neutralste Bemerkung, die mir einfiel. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wovon der Film gehandelt hatte. Die Heldin kletterte an einem Berg hoch und landete mitten in Autojagden und Explosionen. Aber sie kam mit heiler Haut davon. Und der Held ebenfalls. Glaube ich.
Ich schielte auf die Uhr. Falls Linus vorschlagen würde, noch irgendwo eine Cola zu trinken, konnte ich schlecht sagen, dass ich nach Hause musste.
Er redete weiter, während ich grübelte. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu.
„… Scheißfilm“, sagte er.
„Klar, echt super.“
Manchmal ist man so auf seine eigenen Gedanken konzentriert, dass man erst hinterher hört, was der andere eigentlich gesagt hat. Genau das war mir jetzt passiert.
Er sah mich grinsend an.
„Echt super?“, wiederholte er.
Ich musste auch lachen.
Wir hasteten im Laufschritt zum Bahnhof und schafften es, uns in letzter Sekunde in den Zug zu stürzen, bevor die Türen sich mit einem zischenden Laut schlossen. Im Gegensatz zur Hinfahrt hatten wir jetzt jede Menge Gesprächsstoff. Die ganze Fahrt lang.
„Hast du inzwischen dein Fahrrad gefunden?“, fragte er im Bus, als nur noch zwei Haltestellen übrig waren.
Ich schüttelte den Kopf.
„Hast du noch mal bei Hedvig nachgeguckt, seit wir dort waren?“
„Nein.“
Plötzlich stand er auf und drückte eine Haltestelle zu früh auf den Stoppknopf.
„Komm!“
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Ich hatte verstanden.
Allein hätte ich den einsamen Schotterweg nicht gewählt, aber mit Linus kam mir die Dunkelheit gleich viel weniger bedrohlich und kompakt vor.
In der Nähe der Büsche, wo ich Glöckchen gefunden hatte, lagen Berge von Blumen, frische und auch verwelkte. Ein in Folie eingeschweißtes Foto von Mikaela lehnte an einem Stein – wie an einem Grabstein. Das Meer aus Kerzen und Fackeln ringsum war erloschen. Linus holte eine Streichholzschachtel aus der Tasche und zündete alle Kerzen an, die noch nicht heruntergebrannt waren.
Schweigend blieben wir eine Weile dort stehen. Es war kein bisschen unheimlich, nur traurig.
Dann gingen wir weiter, ohne zu reden.
Ein einziges Mal wurde der Weg von Lichtkegeln erhellt. Noch einLuxusschlitten, dieses Mal ein BMW, trotzte den Löchern im Holperweg. Aber im Unterschied zum Mercedes fuhr dieser nicht im Rallyestil.
Mein Handy verriet mir schnell, dass das Auto Roy Gräs aus Solna gehörte. Die Auskunft lieferte mir seine Telefonnummer.
„Was soll mein Auto in einer Werkstatt verloren haben?“, fragte ein sehr genervter Roy Gräs, als ich wenige Minuten später angeblich von Anderssons Autowerkstatt aus anrief.
Ich befürchtete, dass er den Hörer aufknallen
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