Todeswald
Donnerstag hingefahren und am folgenden Tag über Jönköping nach Stockholm zurückgefahren.
An jenem furchtbaren Abend war er weit, weit weg gewesen!
Vor Erleichterung wurde mir ganz schwach.
Das hielt eine Weile an. Dann begann ich zu überlegen. Womöglich erinnerte ich mich falsch. Vielleicht lag Trelleborg in der Nähe von Stockholm!
Der Atlas stand im Wohnzimmer im Bücherregal. Trelleborg zu finden ging schnell. Es lag weit unten im Süden!
Dann schaute ich die Karte wieder an – mit weit aufgerissenen Augen.
Die Entfernung zwischen Trelleborg und Jönköping war genauso groß wie die zwischen Trelleborg und Stockholm.
In dem Atlas gab es eine Tabelle, wo man den Abstand zwischen den Städten in Kilometern ablesen konnte.
Der Abstand Stockholm–Jönköping und Jönköping-Trelleborg unterschied sich nur um einen Kilometer. Er hätte genauso gut hierher fahren, aber einen anderen Ort ins Fahrtenbuch eintragen können.
Okay. Aber warum?
Warum verschwieg er die Autoreparatur …?
Ein Kunde oder Kollege müsste bestätigen können, ob er in Trelleborg gewesen war oder nicht.
Ich wählte auf gut Glück die Nummer seiner Arbeit, aber die Telefonzentrale hatte geschlossen und der Anrufbeantworter war eingeschaltet.
Dann durchstöberte ich das Handschuhfach, die CDs, die halb leeren Bonbonschachteln und zahllosen Quittungen, in der Hoffnung, eine Hotelrechnung oder Benzinquittung zu finden, irgendeinen Beweis dafür, wo er gewesen war.
Bis ich auf das stieß, was ich suchte.
Eine ganz normale Quittung von einer Tankstelle.
In Södertälje. Also kurz vor Stockholm.
Das Datum war der einundzwanzigste Oktober. Der Tag, bevor ich Glöckchen gefunden hatte.
Das Zimmer drehte sich um mich.
Papa war nicht in Trelleborg gewesen, sondern ganz in der Nähe.
Warum hatte er gelogen?
Mir fiel nur ein einziger denkbarer Grund ein.
Er hatte keinen Hasen überfahren, sondern ein größeres Tier. Papa musste derjenige sein, der Glöckchen überfahren und sie blutend im Gebüsch zurückgelassen hatte!
Aber – ich wagte den Gedanken kaum zu denken – hatte er auch Mikaela umgebracht?
Er war seither irgendwie verändert gewesen. Schweigsam. Hatte sich zurückgezogen. Hatte nicht mit mir schwimmen wollen.
Falls er meine Freundin ermordet hatte, war das kein Wunder.
Dieser Gedanke war zu ungeheuerlich, den konnte ich nicht weiterdenken.
Mein Papa.
In meinem Zimmer war alles so wie immer. Unaufgeräumt und gemütlich. Wuff schlief selig im Kissenmeer auf meinem Bett.
Während draußen die Dämmerung anbrach und es dunkel wurde, saß ich nur da und starrte vor mich hin.
Ich konnte nicht zur Polizei gehen und meinen eigenen Vater anzeigen. Unmöglich!
Ich begann im Zimmer auf und ab zu tigern, schrie und heulte.
Das half kein bisschen.
Ich musste mit jemandem reden, meinen grauenhaften Verdacht loswerden. Das alles war natürlich ein einziger Irrtum!
Immerhin hatte ich schon eine denkbare Erklärung dafür gefunden, was mit Glöckchen passiert war. Und mit Mikaela.
Ein zu schnell fahrender Luxusschlitten. Und eine Zeugin, die zum Schweigen gebracht werden musste.
Die Benzinquittung in Papas Handschuhfach hatte vielleicht gar nichts mit ihm selbst zu tun.
Und die Reparatur?
Ich nahm mir noch einmal die Quittung aus Kalle Svenssons Werkstatt vor. Sie war fast unleserlich. Ein vierstelliger Betrag. Es konnte genauso gut zweitausend wie achttausend heißen. Aber vielleicht hatte Kalle in seinem Büro irgendeinen Kalender oder ein Arbeitsbuch, in dem stand, was er mit Papas Auto gemacht hatte.
Ich musste Linus erreichen. Er könnte mich ins Büro schmuggeln, um nachzuschauen.
Ich drückte auf die gespeicherte Nummer von Linus’ Handy. Es läutete immer wieder, aber niemand antwortete. Mir war klar, warum. Er war immer noch sauer auf mich und meldete sich nicht, wenn er meine Nummer sah.
„Ruf mich an“, flehte ich seine Mailbox an.
Ich spähte zu seinem Haus hinüber. Dort war alles dunkel.
Aber vielleicht war Kalle Svensson noch in seiner Werkstatt? Ich hatte ja erst vor Kurzem mit ihm gesprochen. Wenn ich ihm erklärte, wie wichtig es war, würde er mir bestimmt helfen, auch wenn er noch so gestresst wäre.
Mit brennenden Augen wählte ich noch einmal Kalle Svenssons Nummer.
Es läutete, dauerte ewig. Fast hätte ich aufgelegt, doch dann hörte ich eine atemlose Stimme.
„Ja, hier ist Kalle, bin mitten in der Ar…“
„Bitte, Herr Svensson, legen Sie nicht auf!“
„Bist du das,
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