Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
Straßenrand und schaltet die Warnblinkanlage ein. Ich bin schon aus der Tür und laufe, Fußgängern, Shoppern und Büroangestellten ausweichend, über die Pflastersteine.
Julianne steht in ihrem zugeknöpften Trench und den Stiefeln, die sie in Mailand gekauft hat, alleine vor dem Restaurant. In der Nähe spielen Kinder mit dem Wasserstrahl, der wie geschmolzenes Silber aus den Düsen zwischen den dicken Pflasterplatten sprudelt.
»Hier wollten wir uns treffen«, sagt sie ängstlich und mit aufgerissenen Augen.
»Wo hast du ihn zuletzt gesehen?«
»In der Merchant Street.«
»Wie lange ist das her?«
»Er sollte inzwischen wieder hier sein.«
Ruiz kommt dazu. Wir teilen uns auf und suchen. Irgendjemand sollte hierbleiben und warten, falls Marco auftaucht: Julianne.
»Ruf mich an, wenn du ihn siehst.«
Mit kribbelnder Kopfhaut laufe ich los. Auf den drei Ebenen, die sich über fast sechs Blocks erstrecken, befinden sich hunderte von Läden – Warenhäuser, Boutiquen, Fachgeschäfte, Restaurants und Cafés –, das größte Einkaufszentrum von Bristol. Solange Marco an einem öffentlichen Ort bleibt, im Freien …
Ich bahne mir einen Weg durch die Menge, blicke in die Gesichter und erwarte, jeden Moment Marco oder Carl Guilfoyle zu sehen. Es sind zu viele Menschen unterwegs. Er könnte direkt an mir vorbeilaufen, ohne dass ich ihn sehe.
Ich dränge mich durch die Türen eines Warenhauses, laufe die Rolltreppe hinauf und gehe zwischen den Kleiderständern hin und her. Vom Fenster aus sieht man direkt auf die Kreuzung Broadmead und Merchant Street.
Ich lasse den Blick über die Menge schweifen. Junge Mütter mit Kinderwagen, Jogger in Lycra-Shorts, ein Junge in einem Kapuzenshirt mit einem Skateboard, ein gebücktes älteres Paar, das sich in Zeitlupe vorwärtsbewegt. Ein Jongleur im Clownskostüm hat ein Publikum angelockt. Er wirft bunte Bälle in die Luft und lässt sie auf den Bürgersteig prallen.
Es sind so viele Menschen, ein Meer sich bewegender Köpfe. Dann entdecke ich Marco, der am Rand der Menge dem Jongleur zuschaut. Er trägt eine rote Baseballkappe und eine glänzende Tragetüte.
Ich fahre mit der Rolltreppe wieder nach unten und trete durch die automatische Tür auf die Straßenebene. Ein Kleinkind läuft mir vor die Füße. Ich fange den Jungen im Fallen auf, wirbele ihn herum und stelle ihn auf die Füße. Seine Mutter beschimpft mich unflätig, aber ich blicke auf der Suche nach Marco an ihr vorbei.
Ich kann ihn nicht sehen. Eben war er auf der anderen Seite des Platzes. Ich halte nach seiner roten Baseballkappe Ausschau und dränge mich durch die Menge. Am Rande meines Blickfelds taucht Julianne auf. Was macht sie hier? Sie muss Marco auch gesehen haben.
Plötzlich rempelt mich jemand von vorne rechts an und geht zügig weiter. Einen Moment lang sehe ich sein Gesicht – die Spuren auf seinen Wangen, die eher an Narben als an eine Tätowierung erinnern, so als wäre sein Gesicht aus weggeworfenen Hautfetzen zusammengenäht worden.
Ich höre, wie ich keuchend ausatme, und beobachte, wie er seine Hand in die Manteltasche schiebt. Er geht weg. Ich weiß, dass ich ihn verfolgen und aufhalten muss. Stattdessen werde ich von einer großen Erschöpfung übermannt. Ein Schritt, zwei Schritte. Drei Schritte. Was ist los?
Ich blicke an mir herab. Ein großer roter Fleck breitet sich von meinem Brustkorb bis zu meiner Hose aus. Die Klinge ist so glatt eingedrungen, dass ich nicht gespürt habe, wie sie zwischen meinen Rippen hindurch auf mein Herz und meine Lunge gezielt hat.
Ich stolpere, falle auf die Knie und versuche verzweifelt, mich aufrechtzuhalten. Mein Kopf wippt auf und ab und hin und her, doch das ist keiner von Mr. Parkinsons grausamen Witzen. Der Schmerz ist angekommen, ein dumpfes Pochen, das stärker wird und mich anschreit, stehen zu bleiben. Es ist, als würde jemand einen glühenden Metallstab in meine Brust treiben und damit in der Wunde stochern.
Mein Hemd klebt feucht an meinem Körper. Ich blicke mich panisch um. Durch den Wald aus Beinen kann ich Marco nicht mehr sehen. Vielleicht ist er weggegangen. Vielleicht flieht er. Julianne muss irgendwo in der Nähe sein. Sie sehe ich zuerst. Sie sind zusammen.
Im selben Moment erkenne ich Guilfoyles Kapuzensweatshirt. Er zieht die rechte Hand aus der Tasche. Die Klinge
schmiegt sich an seinen Unterarm. Er bewegt sich flink durch die Menge.
Ich versuche zu schreien, bringe jedoch nur ein Stöhnen über die Lippen.
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