Todeswunsch - Robotham, M: Todeswunsch - Bleed For Me
ihre Tochter vielleicht nie erfahren, wenn in den Trümmern des Wohnwagens nicht irgendwelche Hinweise gefunden werden.
Die Krankenschwester spricht mich an. »Sie können sich setzen, wenn Sie möchten.«
Sie hat einen Akzent aus dem Norden, und ihre Augen leuchten grün vom Widerschein der Neonanzeigen um sie herum.
»Ich kannte ihn eigentlich gar nicht«, sage ich.
Ich habe ihm den Tod gewünscht. Ich hätte ihn beinahe erschlagen.
»Ich kenne keinen von ihnen«, sagt sie, »aber ich rede trotzdem mit ihnen. Ich erzähle ihnen, wie das Wetter ist und was im Fernsehen läuft. Manchmal lese ich ihnen auch etwas vor.« Sie hält einen zerfledderten Liebesroman hoch.
»Sie haben bestimmt eine schöne Vorlesestimme.«
»Vielen Dank.«
Sie geht um das Bett herum und drückt ein Stück Klebeband fest, das einen Schlauch an Gordons Unterarm hält. »War er ein guter Mensch?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Wahrscheinlich nicht.« Sie blinzelt ihn traurig an. »Manchmal frage ich mich, wie viel Kontrolle wir über das haben, was uns geschieht, oder ob unser Leben einfach eine lange Kettenreaktion ist. Ein Zusammenprall nach dem anderen.«
Ich gehe den Flur hinunter und stoße die Tür zur Notaufnahme auf. Eine Handvoll Leute steht vor einem Fernseher. Ich lese die Schlagzeile, die am unteren Rand durchs Bild läuft. RASSISMUS-PROZESS ABGEBROCHEN.
Ein Reporter steht vor dem Bristol Crown Court.
Der Prozess gegen Novak Brennan, Gary Dobson und Tony Scott wurde heute ausgesetzt, nachdem Vorwürfe bekannt geworden waren, die Geschworenen seien massiv beeinflusst worden.
Für große Aufregung sorgte am Vormittag die Mitteilung, dass ein Mitglied der Jury außerhalb des Gerichts von einer dritten Partei angesprochen und bedroht worden sei. Richter Spencer verkündete, es lasse sich nicht ausschließen, dass weitere Geschworene eingeschüchtert worden seien. Er entließ die fünf Frauen und sieben Männer der Jury und ordnete einen neuen Prozess gegen die drei Angeklagten zu einem späteren Zeitpunkt an.
Die Anwälte von Novak Brennan und seinen Mitangeklagten beantragten daraufhin die sofortige Freilassung ihrer Mandaten gegen Kaution, da diese bereits seit acht Monaten in Untersuchungshaft sitzen …
Mein Handy vibriert.
»Hast du die Nachrichten gehört?«, fragt Julianne. Sie ist irgendwo im Freien.
»Ich hab es gerade mitbekommen.«
»Der arme Marco.«
»Hast du schon mit ihm gesprochen?«
»Ich treffe ihn in ein paar Minuten. Ich gehe mit ihm einkaufen, bevor er den Zug nach London nimmt.«
»Wie geht es ihm?«
»Ich glaube, er begreift das alles noch nicht richtig. Ich dachte, Beeinflussung von Geschworenen gäbe es nur im Kino.«
»Du musst es ihm erklären.«
»Vielleicht kannst du mir helfen.«
Ich zögere, und sie wird sofort hellhörig. »Du wusstest es! Deswegen hast du mich auch nach dem Richter gefragt.«
Ich antworte nicht, was ihren Verdacht nur bestätigt.
»Was ist passiert, Joe?«
»Das kann ich dir nicht erzählen.«
Bevor sie mir eine weitere Frage stellen kann, unterbricht sie sich selbst: »Da ist Marco. Ich muss Schluss machen.«
Ich habe nicht einmal mehr Gelegenheit, mich von ihr zu verabschieden. Ich will direkt zurückrufen und ihre süße Stimme noch einmal hören.
Vor dem Haupteingang ist ein Taxi vorgefahren. Natasha Ellis steigt aus, Billys Hand fest umklammert. Der Junge trägt eine Schuluniform und hat seinen Tigger unter den Arm geklemmt. Natasha nimmt den Taxifahrer beim Bezahlen gar nicht zur Kenntnis. Ihre Augen sind blutunterlaufen, sie funktioniert wie auf Autopilot.
Dr. Chou geht auf sie zu, während eine Krankenschwester Billy zu einer Ecke mit Spielzeug und Malbüchern führt. Ich stehe lange da und beobachte, wie er sich, einen Stift in der Hand, eifrig über ein Bild beugt.
Zwanzig Minuten später kommt Natasha zurück, wischt sich die Augen und versucht, sich auf ihren Sohn zu konzentrieren. Billy fängt an, ihr von seinem Bild zu erzählen. Sie nickt und bemüht sich zuzuhören, kann seinen Worten aber kaum folgen. Dann sieht sie mich, und ein neues Gefühl lodert auf.
Sie dreht sich zu mir um, holt mit der linken Hand aus, schlägt mir ins Gesicht und kratzt mit ihren Nägeln über meine Wange. Der Schlag schallt durch das Wartezimmer, das vor meinen Augen verschwimmt.
Ihr Gesicht ist verzerrt von Wut und Trauer. »Sie haben das getan!«
Sie versucht, mich noch einmal zu schlagen, doch diesmal packe ich ihr Handgelenk und warte, bis ihre
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