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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur W. Upfield
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konnte die Untätigkeit nicht länger ertragen. Sie streifte den Regenmantel über, zündete die Sturmlaterne an, dann überquerte sie die Veranda, ging den nassen Aschenweg des kleinen Gartens entlang und öffnete die Tür in dem niedrigen Zaun. Hier war das Dröhnen des Regens auf dem Blechdach nicht mehr zu hören. Das Wasser rann an ihrem Mantel herab, von den Bäumen, ihre Hände wurden naß, ihr Gesicht. Doch außer dem Rauschen des Regens vernahm sie nichts, keinen Hufschlag, nicht das Knarren von Sattelzeug, nicht das ungeduldige Schnauben eines Pferdes.
    Sie überquerte einen freien Platz und betrat die Arbeiterunterkunft. Im ersten Raum befanden sich ein rohgezimmerter Holztisch, eine Bank und einige Kisten, die als Sitzgelegenheiten dienten. Auf dem Tisch lagen Illustrierte und ein Kartenspiel, daneben stand eine Sturmlaterne. Im Hinterzimmer waren zwei Betten aufgestellt, aber nur eins war bezogen, die Decken unordentlich zurückgeschlagen. Dieses Bett gehörte Jimmy Partner.
    Obwohl der Raum von einem Eingeborenen bewohnt wurde, war die Luft frisch und sauber. Jimmy Partner war eben ein ungewöhnlicher Eingeborener.
    Mary Gordon trat wieder hinaus in den Regen, eilte durch die beklemmende Finsternis zum Tor im Drahtzaun, der alle Gebäude der Meena-Station umschloß. Zu ihrer Rechten dehnte sich – in der Dunkelheit nicht sichtbar – der See. Dreimal hatte sie nun schon erlebt, wie er austrocknete und sich wieder mit Wasser füllte, wie er Fischen und Vögeln Heimat bot. Sie passierte das Tor, folgte dem Pfad, der sich zwischen den Buchsbäumen, die das Seeufer säumten, hindurchwand. Im Schein ihrer Sturmlaterne glühten die Augen der Kaninchen auf, und die Tiere hoppelten eilfertig zur Seite, wurden von der Dunkelheit verschluckt. Der Regen nahm auch ihnen alle Futtersorgen.
    Plötzlich verlöschte die Laterne. Es kam völlig unerwartet, denn es war windstill. Wie schwarzer Samt senkte sich die Finsternis vor Mary Gordons Augen. Verwirrt blieb sie stehen, lauschte auf den Regen, der in den Zweigen rauschte.
    Aber Mary wußte auch so, wo sie sich befand. Dieser Pfad war von nackten Eingeborenenfüßen getrampelt worden und verband das Camp mit dem Farmhaus. Sechzig Jahre war dieser Trampelpfad nun alt. Langsam gewöhnten sich Marys Augen an die Dunkelheit. Sie konnte den Pfad zwar auch jetzt nicht sehen, aber sie richtete sich nach den Bäumen und tappte weiter.
    Nach fünf Minuten glühten vor ihr die Bäume rötlich auf. Sie näherte sich dem Eingeborenencamp. Wenige Sekunden später konnte sie die glimmenden Feuerstellen erkennen. Vor einer der aus Säcken und Bambusgras errichteten Hütten loderte ein helles Feuer, an dem sich zwei Eingeborene gegenüberstanden. Sonst war niemand zu sehen.
    Der Neger, der mit dem Rücken zur Hütte stand, war von kleinem Wuchs. Das gute Leben hatte ihn fett werden lassen, doch seine Beine waren erstaunlich dünn. Das Haar und der struppige Bart waren weiß. Sein Äußeres verriet keineswegs, welche Macht er über den Stamm der Kalchut besaß, denn Nero war ein Diktator.
    Den zweiten Eingeborenen erkannte Mary ebenfalls sofort. Er war einsachtzig groß, trug Reitstiefel und ein weißes Baumwollhemd. Er hatte die Arme verschränkt und war so erhitzt, daß er im Regen dampfte. Als Mary Gordon ihn erblickte, zögerte sie. Jimmy Partner war mit ihrem Sohn unterwegs, und auf die Rückkehr der beiden wartete sie die ganze Zeit.
    Warum, um alles in der Welt, mochte er um diese Zeit mit Nero sprechen? Um neun Uhr befand sich normalerweise kein Eingeborener mehr außerhalb seiner Hütte. Es mußte also etwas passiert sein, wenn Jimmy Partner bei strömendem Regen um neun Uhr abends ins Lager eilte und Nero aus seiner Hütte holte.
    Kaum eine zweite Frau im Westen von Queensland kannte die Eingeborenen besser als Mary Gordon. Für sie waren die Schwarzen weder Kinder noch Halbidioten oder Wilde. Sie hatte Jimmy Partner im eigenen Haus aufgezogen, er war ihrem Sohn wie ein Bruder. Er gehörte zum Stamm der Kalchut, hatte die Reiferiten empfangen, und doch wohnte er in der Arbeiterunterkunft, aß mit ihr und John an einem Tisch. Er erhielt seinen gerechten Lohn, sie hatte ihm stets unumschränkt vertrauen können, und er war ihr immer treu ergeben gewesen. Am frühen Morgen war er mit John losgeritten, um die Zäune der Ostweide zu kontrollieren. Nun stand er um neun Uhr abends hier und sprach mit Nero. John aber war noch nicht zu Hause.
    Während sie auf das Feuer zuging,

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