Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
können.«
Joshua zuckte die Schultern. »Ich weiß auch nicht … Als ich dich zum ersten Mal angesprochen habe, hast du sofort den Studenten in mir gesehen … Ich bin darauf eingestiegen, ohne darüber nachzudenken. Irgendwann hatte ich mich so tief in meinen Lügen verstrickt, dass es für eine Kehrtwende längst zu spät war.«
Noch bevor sie den Mund zu einer weiteren Frage öffnen konnte, fuhr er fort: »Ich wusste, dass du mich nicht nur mochtest, weil du mich für einen reichen Studenten hieltest. Das schien ja sogar eher hinderlich zu sein. Aber ich konnte dir die Wahrheit einfach nicht sagen, ich wollte es, doch ich … ich war zu feige.«
Charlotte musterte ihn eingehend. Sie spürte, dass es ihm ernst mit seiner Entschuldigung war. Und sie freute sich, dass er hier bei ihr war.
Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. »Dachtest du, ich würde dir die Nase brechen, wenn du es mir sagen würdest?«
Ihre Reaktion überraschte ihn, trotzdem musste Joshua unwillkürlich lächeln. »Wenn dem so gewesen wäre, hätte ich wohl nicht ganz unrecht damit gehabt.«
»Das werden wir jetzt wohl nie mehr herausfinden.« Sie streckte den Arm aus.
Zögerlich kam Joshua ihr entgegen, setzte sich auf die Bettkante und nahm ihre Hand. Sie drückte sie kurz. Einige Minuten lang saßen sie einfach nur schweigend beieinander und verloren sich in den Augen des anderen.
»Du weißt, was passiert ist, oder?«, fragte Charlotte nach einer Weile vorsichtig. »Mit mir, meine ich … und dem Killer.«
Joshua biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Kommissarin Leitner hat mich eingeweiht. Sie sagte, sie würde damit zwar ihre Kompetenzen überschreiten, aber das würde es dir leichter und schwieriger zugleich machen, beides in positiver Hinsicht.« Er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, was sie damit gemeint hat.«
Charlotte wusste es hingegen nur allzu gut. Es würde ihr erspart bleiben, Joshua in alle Einzelheiten einzuweihen. Allerdings würde ihr auch die Möglichkeit genommen, das Geschehene unverarbeitet unter den Teppich zu kehren.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie. »Hast du Anzeige gegen mich erstattet?«
Sein Daumen strich zärtlich über ihre Fingerknöchel, als er mit einem immer breiter werdenden Lächeln den Kopf schüttelte. »Bisher nicht. Ich hatte mir diese Option für den Fall offengehalten, dass du mir keine zweite Chance gibst.«
»Das ist Erpressung.«
Joshua setzte eine Unschuldsmiene auf. »Das ist Ansichtssache.«
»Ansichtssache, interessant.« Sie musterte ihn mehrere Augenblicke lang skeptisch, obwohl ihre Entscheidung längst feststand. Sie hatte in ihrem Leben schon mehr als nur eine zweite Chance bekommen. Es gab keinen Grund, ihm seine nicht zu gewähren.
Charlotte hob seinen Handrücken an ihre Lippen und küsste ihn sanft. »Ich unterwerfe mich deiner Ansicht.«
Epilog
Jennifer Leitner schlenderte den Krankenhausflur entlang. In Gedanken verharrte sie noch einen Moment bei dem jungen Paar, bevor sie einen Blick auf ihre Uhr warf. Zufrieden stellte sie fest, dass es für einen Einkauf noch nicht zu spät war. Später wollte sie Marcel in seinem Motel besuchen, doch vorher würde sie endlich ihr Vorhaben in die Tat umsetzen, einen Großvorrat an Katzenfutter zu kaufen.
Ihre Pläne wurden aber bereits wenige Schritte später durchkreuzt, als sie auf einen Mann aufmerksam wurde, der am Ende des Flurs lässig an die Wand gelehnt dastand und offensichtlich auf sie wartete. Grohmann begrüßte sie mit einem Lächeln.
Sein unerwartetes Auftauchen konnte nur bedeuten, dass Gaja wieder einmal weitaus mehr Glück hatte als sie selbst. »Ich wusste gar nicht, dass wir verabredet sind.«
»Ich bin hier, um Ihnen genau das mitzuteilen«, erwiderte er grinsend und stieß sich von der Wand ab. »Thomas Kramer hat versucht, Sie zu erreichen.«
»Mein Handy ist ausgeschaltet.« Sie sparte sich den Hinweis, dass sie sich in einem Krankenhaus befanden. Dass sie eigentlich schon Feierabend hatte, war ohnehin keine Erwähnung wert.
Der Staatsanwalt nickte. »Deshalb hat er bei mir angerufen.«
Thomas vermutete sie bei Grohmann? Interessant. Und auch ein klein wenig beunruhigend. »Was ist los?«
»Eine Prügelei vorm Kinder- und Jugendzentrum.«
Jennifer hob fragend eine Augenbraue. Eine Prügelei unter Halbstarken war meist kein Fall für die Kripo.
»Zwei Mütter haben sich wegen ihrer Kinder in die Wolle gekriegt. Was als verbale Auseinandersetzung begann, ist ziemlich
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