Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
sie loszumachen, war stark, doch Jennifer nahm sich die Zeit, auch den Rest des dunklen Raumes zu überprüfen. Erst als sie sich davon überzeugt hatte, dass sie allein waren, wandte sie sich Charlotte zu. Während sie ihren Puls fühlte, blieb sie jedoch weiterhin wachsam.
Die Hände der jungen Frau waren mit Kabelbindern gefesselt. Als Jennifer vorsichtig daran zog, gab Charlotte ein leises Stöhnen von sich, und ihre Lider begannen zu flattern. Dann lag sie wieder still.
Die Binder waren festgezurrt. Jennifer schob ihre Waffe in das Holster zurück, zückte das Taschenmesser, das sie in einer Gürteltasche bei sich trug, und öffnete es.
»Ich werde Sie jetzt losschneiden«, flüsterte sie dicht an Charlottes Ohr, obwohl sie davon ausging, dass sie sie nicht hören konnte. »Es ist bald vorbei.«
Sie schob die Klinge vorsichtig unter den Kabelbinder und schnitt ihn durch. Charlottes rechter Arm rutschte leblos von der Liege.
Jennifer verharrte eine Sekunde lang und lauschte. Noch immer rührte sich nichts. Sie beugte sich über die Liegende und tastete vorsichtig nach dem Binder, der die linke Hand gefesselt hielt.
Charlotte spürte offenbar die Berührung und stöhnte auf. »Ganz ruhig.« Die Worte galten nicht nur der Bewusstlosen, sondern auch ihr selbst. »Ich tue Ihnen nichts.«
Jennifer wollte das Plastikband gerade durchschneiden, als sie plötzlich hörte, wie irgendwo seitlich von ihr Türen knarrten. Das Geräusch kam aus der Richtung, wo ein alter Schrank stand – ein perfektes Versteck und noch dazu eines, das sie nicht überprüft hatte.
Jennifer richtete sich auf, ließ instinktiv das Messer fallen und griff nach ihrer Pistole. Sie sah nur eine verschwommene Bewegung, dann flammten plötzlich sämtliche Lampen in dem Raum gleißend hell auf und blendeten sie.
Lauer hielt eine Stange in der Hand und stürzte sich mit einem Schrei auf sie.
Jennifer hob die Pistole und feuerte einen Schuss ab. Sie wurde in dem Augenblick von der Stange in die Seite getroffen, als Lauer schmerzverzerrt aufheulte. Sie hatte ihn erwischt!
Doch das hielt ihn nicht davon ab, erneut auf sie loszugehen. Er riss sie zu Boden, dabei schlug sie mit der Hand schmerzhaft gegen irgendeinen Gegenstand und verlor ihre Waffe.
Dann saß Melchior Lauer bereits über ihr und starrte mit von Wut und Schmerz entstelltem Gesicht auf sie hinunter. Sie sah das Blut, das sein Shirt tränkte, ebenso deutlich wie die hoch erhobene Eisenstange, mit der er zu einem neuerlichen Schlag ausholte.
Jennifer reagierte instinktiv und riss die Arme nach oben, um ihren Kopf zu schützen. Die Stange drosch auf ihren linken Unterarm, und sie hörte und spürte zugleich, wie die Knochen zersplitterten. Doch das Adrenalin in ihren Adern drängte den Schmerz an den äußersten Rand ihres Bewusstseins.
Zwar spürte auch Lauer in diesem Augenblick wahrscheinlich keinen Schmerz, die Schusswunde und der Blutverlust taten dennoch ihre Wirkung. Jennifer bekam die Metallstange zu fassen. Sie war glitschig von seinem Blut, trotzdem gelang es ihr, sie ihm zu entringen.
Jennifer hatte kaum Bewegungsfreiheit, als sie die Stange ungelenk führte. Das Metall traf Lauer seitlich am Kopf, jedoch nicht stark genug, um ihn ernstlich zu verletzen. Bei dem Versuch, ihrem Schlag auszuweichen, verlor er das Gleichgewicht. Jennifer schaffte es, ihn mit einer schnellen Drehung der Hüfte von sich abzuwerfen.
Lauer kam jedoch weitaus schneller auf die Beine als sie. Er taumelte gegen ein Regal, das bedenklich ins Wanken geriet, doch beide fingen sich wieder.
Zuerst schien er sich erneut auf Jennifer stürzen zu wollen, doch dann änderte er überraschend die Richtung. Zu spät erkannte sie, dass er ihre Waffe entdeckt hatte, die einige Meter von ihr entfernt auf dem Boden lag. Jennifer war noch nicht einmal auf die Knie gekommen, da bückte er sich bereits und hob sie auf.
Ein schräges Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als er sah, wie Jennifer erstarrte. Er wankte rückwärts und stieß gegen die Liege, gleichzeitig presste er seine linke Hand auf die blutende Schusswunde in seinem Bauch. Dann richtete er entschlossen den Pistolenlauf auf sie.
Im selben Augenblick, in dem Jennifer begriff, dass Lauer abdrücken würde, tauchte hinter ihm ein undeutlicher Schatten auf.
Charlotte war aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht und hatte sich aufgesetzt. Das Taschenmesser schien in ihrer Reichweite geblieben zu sein, als Jennifer es fallen gelassen hatte. Vorsichtig und
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