Todeszorn: Thriller (German Edition)
mit jemandem beratschlagte, jedoch nicht, ob es sich bei diesem jemand um einen Mann oder eine Frau handelte.
Als Armstrong sich zu ihr umwandte, zog Rebecca fragend die Augenbrauen in die Höhe.
»V ermutlich überlegen sie, wo sie schnell ihren Stoff verstecken können«, sagte Armstrong, wandte sich wieder zur Tür und schlug noch einmal mit der Faust dagegen.
Dann wurde drinnen am Schloss gefummelt, und die Tür ging nach innen auf. Vor ihnen stand eine Frau von ungefähr zwanzig Jahren in einem fleckigen Bademantel.
»K ommen Sie«, sagte Armstrong, betrat den Hausflur, nahm die Frau beim Ellbogen und führte sie die Treppe hinauf.
Rebecca folgte ihm. Es roch nach Schweiß und nach Marihuana. Der Teppichbelag auf den Stufen war abgenutzt, die Ränder ausgefranst. Das Muster war vor dreißig Jahren modern gewesen.
Armstrong erreichte mit der Frau den oberen Treppenabsatz, stieß die nur angelehnte Wohnungstür auf und trat in den Flur. Rebecca befand sich zwei Treppenstufen hinter ihm, als der erste Schuss fiel.
Wenn etwas Unerwartetes passiert, braucht das Gehirn eine kurze Schrecksekunde, um zu reagieren. Als Rebecca den Schuss hörte, blieb sie wie angewurzelt stehen.
Dann fiel ein weiterer.
Eine Frau schrie.
Noch einer.
Rebecca stürzte die restlichen beiden Stufen hinauf und in die Wohnung.
12
Die Frau, die ihnen die Tür geöffnet hatte, lag mit dem Rücken an der Wand auf den Dielen. Ihre Augenlider zuckten noch, aber an der Tapete hinter ihr, dort, wo sie zu Boden gesunken war, zeichneten sich verschmierte Streifen aus Blut und anderen Körpersubstanzen ab. Unterhalb ihres rechten Schlüsselbeins lief aus einer Schusswunde Blut, das von ihrem Bademantel aufgesogen wurde.
Armstrong war nicht zu sehen. Eine Tür am Ende des Flurs wurde geöffnet, und eine nur mit einem Höschen bekleidete Frau desselben Alters kam aus einem Badezimmer, als Rebecca neben der ersten Frau in die Knie ging. Rebecca war sich nicht sicher, was genau die zweite Frau mitbekommen hatte, aber sie verschwand schnell wieder im Bad und verschloss die Tür.
»K enny!«, rief Rebecca.
Armstrong gab ihr von der ersten Tür rechts ein Handzeichen. In gebückter Haltung lief sie zu ihm.
Er befand sich in einem Schlafzimmer, in einer ähnlichen Haltung wie die Frau auf dem Korridor– er saß neben der Tür auf dem Boden und lehnte sich gegen die Wand. Als er die andere Hand hob, sah Rebecca, dass ihm der kleine Finger und der Ringfinger fehlten. Aus den schartigen Stümpfen sickerte Blut. Er war kreidebleich und stand ganz offenbar unter Schock.
Rebecca riss ein Kissen vom Bett, zog den Bezug ab, wickelte den Stoff fest um die Wunden und verknotete ihn dann, so gut sie konnte. Augenblicklich färbte er sich rot.
Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände.
»B utler?«, fragte sie.
Armstrong schloss die Augen. Als sie ihn schüttelte, öffnete er sie wieder.
»W ar es Butler, Kenny?«
Er schüttelte den Kopf, aber sie wusste nicht, ob er ihre Frage verneinen oder ihr mitteilen wollte, dass er es nicht wusste. Doch darauf kam es jetzt nicht vordringlich an. In der Wohnung hielt sich noch immer jemand mit einer Waffe auf.
Sie duckte sich und warf einen raschen Blick in den Flur. Die Frau hatte das Bewusstsein verloren, ansonsten war niemand zu sehen.
Sie nahm ihr Handy aus ihrer Tasche, wählte drei Mal die Neun und schilderte der Telefonistin, die den Notruf entgegennahm, in so wenigen Worten wie möglich die Situation.
»I ch brauche dringend bewaffnete Verstärkung«, keuchte sie.
Die Frau reagierte schnell– wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen. Sie behielt Rebecca in der Leitung, bis sie ihr bestätigen konnte, dass ihre Notfallmeldung weitergegeben und darauf reagiert worden war.
»M öchten Sie die Verbindung aufrechterhalten, Detective?«, fragte sie.
»J a. Ich lege nicht auf, dann haben Sie alles auf Band, was hier passiert. Aber ich werde jetzt nicht mehr mit Ihnen sprechen.«
Sie legte das Handy neben die geöffnete Tür, damit sämtliche Geräusche auch am anderen Ende zu hören waren.
Dann holte Rebecca tief Luft und rief: »J ack Butler!«
Keine Reaktion.
»I ch bin Polizeibeamtin. Ein Einsatzwagen mit bewaffneten Kollegen ist auf dem Weg hierher.«
Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte, also schwieg sie. Es hätte ja auch wenig Zweck, ihm weitere Gewalttaten ausreden zu wollen, er war sowieso schon wegen mehrfachen Mordes dran.
Irgendwo auf dem Flur wurde eine Tür geöffnet, dann
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