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Todtsteltzers Ehre

Todtsteltzers Ehre

Titel: Todtsteltzers Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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hinaus, und unzählige Geister mit ihrem Gesicht
schienen ihre Präsenz zu spüren und wandten sich ihr zu. Sie
konzentrierte sich darauf, daß sie nur zwei Personen benötigte,
und zwei Hände streckten sich ihr entgegen und ergriffen ihre
Hände. Ein kurzer Stoß verdrängter Luft zuckte durch den
Tunnel, und auf einmal standen zwei weitere Frauen neben ihr
und husteten kräftig in der grünlich schimmernden Luft. Hazel
warf Owen einen triumphierenden Blick zu und stellte dabei
fest, daß ihm die Kinnlade bis fast auf die Knie herunterhing.
Hazel runzelte die Stirn und blickte die beiden fremden Versionen ihrer selbst an, die sie herbeigerufen hatte.
Die Frau zur Linken hatte eine so schwarze Haut, daß sie wie
ein lebender Schatten wirkte, und das Haar hing ihr in Rastalocken mit eingeflochtenen Perlen bis auf die Schultern. Sie
trug eine silbern glänzende Rüstung, mit prachtvollen Runen
ziseliert, und dazu goldene Accessoires wie Knieschoner, Ellbogenschoner und Schlagringe. An jeder Hüfte trug sie eine
Pistole, und sie hielt eine Axt mit kurzem Griff in den Händen.
Die Frau war groß, fast unerträglich sinnlich und wirkte vom
Scheitel bis zur Sohle wie eine stolze, fähige Kriegerin. Und
doch lag etwas in ihrer Haltung, in ihrem Gesicht, in den Zü
gen um Augen und Mund, das unbestreitbar Hazel D’Ark war.
Die Frau zur Rechten hatte eine totenbleiche Hautfarbe und
sah in dem grünlichen Licht einer Leiche nicht unähnlich, die
sich halb einbalsamiert vom Leichentisch erhoben hatte. Sie
trug fetzenweise Leder, dessen Stücke von hell polierten Stahlketten zusammengehalten wurden. Sie hatte Ringe in Ohren
und Nase und an anderen, weniger bequemen Stellen, und darüber hinaus prangte ihr Körper an allen anderen Stellen mit
Ziernägeln, Nadeln und anderen Piercing-Schmuckstücken. Sie
war dünn wie eine Peitschenschnur. Jeder Muskel trat deutlich
hervor, und den Schädel trug sie rasiert, damit die in ordentlichen Reihen aufgenieteten Ziernägel besser zur Geltung kamen. Sie trug ein langes Schwert an einer Hüfte und ein unbekanntes Pistolenmodell an der anderen. Beide Waffen erweckten den Anschein häufiger Benutzung. Und wieder einmal waren Gesicht und Augen eindeutig die von Hazel D’Ark.
Eine ganze Weile standen die vier nur da und musterten einander mit Mienen, die unterschiedliche Grade des Unglaubens
ausdrückten. Dann wandte sich Owen an Hazel: »Sagt mir, daß
Ihr diese beiden nicht absichtlich herbeigerufen habt.«
»Na, das ist ja ein hübscher Empfang«, fand die schwarze
Kriegerin mit einer tiefen, reichen Stimme voller Humor. »Und
das, nachdem ich einen so langen Weg zurückgelegt habe, um
euch zu treffen. Ich bin Mitternachtsblau. Ist das wirklich eine
andere Version meiner selbst?«
»Nun, man könnte es so ausdrücken«, sagte Owen. »Ich bin
…«
»Oh, ich kenne dich, Owen Todtsteltzer«, unterbrach ihn
Mitternachtsblau. Und dann sprang sie vor, schlang die Arme
um ihn, ohne dabei die Axt loszulassen, und drückte ihn so
kräftig an den eindrucksvollen Busen, daß sie Owen damit die
Luft aus den Lungen preßte. Er stand gerade im Begriff, sein
Gleichgewicht zurückzuerlangen, da stieß sie ihn plötzlich zurück, steckte die Axt in den Gürtel, holte aus und versetzte ihm
eine kräftige Ohrfeige. Der Knall war ohrenbetäubend. Owen
taumelte rückwärts und wäre vielleicht gestürzt, hätte ihn Mitternachtsblau nicht gleich wieder an sich gedrückt, während ihr
Tränen in die Augen traten.
»Na ja«, gab Hazel kund, »du hast dich schon immer darauf
verstanden, Leute zu beeindrucken, Todtsteltzer.« Sie musterte
die überall durchstochene weiße Erscheinung. »Hast du eine
Ahnung, was hier vorgeht?«
»In keiner Weise«, antwortete die andere Version mit eiskalter Altstimme. »Ich bin nebenbei Bonnie Chaos. Bist du sicher,
daß wir dieselbe sind?«
»Anscheinend. Ich heiße Hazel D’Ark. Sieh dich mal um, ob
du nicht irgendwo ein Brecheisen findest, mit dem wir die beiden auseinanderbekommen.«
Mitternachtsblau hielt jetzt Owen auf Armeslänge und
schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. »Owen, du Mistkerl! Wie
konntest du mich nur verlassen? Oh, es ist so schön, dich wiederzusehen!«
»Darf ich vielleicht darauf hinweisen«, wandte Owen mit
leicht atemloser Stimme ein, »daß ich nicht der Owen bin, den
Ihr kennt?«
»Natürlich nicht. Er ist tot. Aber du reichst auch.«
Mitternachtsblau erläuterte nicht, wozu, und Hazel hatte
nicht vor, danach zu fragen. Sie sah Bonnie Chaos an.

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